Schweinkram

In Taiwan gelten seit dem 1. Januar 2021 neue Importbestimmungen für Fleischerzeugnisse aus den USA, die mit Ractopamin behandelt wurden. Wir haben dazu heute unseren Experten Prof. Dr. Ha Ri Bo zu Gast, um seine Einschätzung zu diesem Schritt zu geben.

Taiwanoca: Sehr geehrter Prof. Dr. Ha Ri Bo, um was handelt es sich bei Ractopamin genau?

Prof. Dr. Ha Ri Bo: Ractopamin ist ein Tierfuttermittelzusatzstoff, der besonders zur Mästung von Schweinen, aber auch bei Rindern, eingesetzt wird. Es ist dafür bekannt, die Gewichtszunahme zu erhöhen, die Futterverwertung zu verbessern und die Magerkeit des Schlachtkörpers bei Mastschweinen zu steigern. Der Einsatz von Ractopamin bei der Endmast von Schweinen führt zu etwa 3 kg zusätzlichem magerem Schweinefleisch und verbessert die Futtereffizienz um 10%.

Taiwanoca: Warum ist der Einsatz von Ractopamin in der politischen Debatte so umstritten?

Prof. Dr. Ha Ri Bo: Bei Schweinen wird Ractopamin mit unerwünschten Wirkungen in Verbindung gebracht, insbesondere mit Hyperaktivität, Zittern und gebrochenen Gliedmaßen. Auch bei Rindern wurden schädliche Auswirkungen wie steife, wunde und lahme Gliedmaßen und erhöhter Hitzestress beobachtet. Zudem könnte das Fleisch von mit Ractopamin behandelten Tieren zäher sein.

Die Verwendung von Ractopamin ist ein Faktor bei der Entwicklung von so genannten „Downer Pigs“, das sind Tiere, die sich nicht bewegen oder stehen können. In den USA wurden in den letzten 20 Jahren ca. 250.000 Fälle dieses Syndroms gemeldet.

Taiwanoca: Gibt es denn auch Erkenntnisse über schädliche Auswirkungen auf den Menschen?

Prof. Dr. Ha Ri Bo: Die Metabolisierung von Ractopamin im menschlichen Körper funktioniert ähnlich wie bei Schweinen und Rindern. Neben der pharmakologischen Wirkung kann Ractopamin einen Vergiftungseffekt hervorrufen. Daher kann der Verzehr von Fleisch und/oder Nebenprodukten von Tieren, die Ractopamin mit dem Futter zur Wachstumsförderung aufgenommen haben, beim Menschen zu klinischen Effekten wie Herzrasen und anderen Erhöhungen der Herzfrequenz, Zittern, Kopfschmerzen, Muskelkrämpfen oder hohem Blutdruck führen. Die Wirkung von Ractopamin auf den Menschen ist nicht vollständig geklärt, aber der Verzehr von Produkten, die Rückstände von Ractopamin enthalten, ist für Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht ratsam.

Taiwanoca: Auf welcher Grundlage ist der Handel von mit Ractopamin behandelten Fleisch international geregelt?

Prof. Dr. Ha Ri Bo: Die taiwanische Regierung beruft sich in ihren Stellungnahmen auf den von der Codex Alimentarius Commission (CAC) im Juli 2012 festgelegten Grenzwert von 10 Teilen pro Milliarde (parts per billion, ppb) als maximalen Rückstandsgehalt (maximum residue level, MRL) für Muskelfleisch von Rind- und Schweinefleisch. Nicht erwähnt wird allerdings, dass dieser Grenzwert mit einer hauchdünnen Mehrheit von gerade mal 69 zu 67 Stimmen angenommen wurde, was ein sehr ungewöhnliches Ergebnis in der CAC ist, in der es normalerweise sehr viel deutlichere Stimmenverhältnisse gibt.

Dieser von den Regierungen Taiwans und den USA als „sicher“ bezeichnete Standard wird aufgrund der weiterhin unklaren Studienlage von mehr als 160 Ländern nicht anerkannt, darunter allen Ländern der EU, sowie China und Russland. Es bestehen auch weiterhin keine eindeutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die eine Festlegung eines bestimmten Grenzwerts – oder ein komplettes Verbot von Ractopamin – rechtfertigen würden.

Taiwanoca: Warum hat sich die Regierung Taiwans dennoch für diesen Schritt entschieden?

Prof. Dr. Ha Ri Bo: In Taiwan gibt es innenpolitisch schon seit mehr als einem Jahrzehnt große Uneinigkeit über den Umgang mit Ractopamin. Im Jahr 2006 wurde Ractopamin sowie weitere Stoffe der Gruppe der Beta-Adrenozeptoren in Taiwan verboten.

Der damalige Gesetzestext im Wortlaut:

„Die Herstellung, Zubereitung, Einfuhr, Ausfuhr, der Verkauf oder die Ausstellung von Beta-Adrenozeptoren, einschließlich Salbutamol, Terbutalin, Clenbuterol, Ractopamin …, usw., sind für zur Lebensmittelerzeugung genutzte Tiere verboten.“

11. Oktober 2006

Nach der oben erwähnten Entscheidung der CAC im Jahr 2012 wurden Regierungsbehörden durch einen von der KMT eingebrachten Änderungsantrag im Legislativ Yuan ermächtigt, Sicherheitsstandards für Ractopamin als Futtermittelzusatz für Rinder festzulegen, die Verwendung bei Schweinen aber verboten. Für die Einfuhr von Rindfleisch aus den USA wurde daraufhin der Grenzwert von 10 Teilen pro Milliarde von der CAC übernommen.

Sämtliche Abgeordneten der DPP stimmten damals übrigens gegen diese Entscheidung.

Am 28. August 2020 wiederum kündigte Präsidentin Tsai Ying-Yen (DPP) den Import von mit Ractopamin behandeltem Schweinefleisch aus den USA an, ebenfalls mit Verweis auf den „sicheren“ CAC Grenzwert.

Warum die damalige Oppositionspartei, inklusive der heutigen Präsidentin, im Jahr 2012 gegen einen Import von mit Ractopamin behandeltem Fleisch war, und es im Jahr 2020 nicht mehr ist, wurde bislang nicht genauer erklärt.

Auffällig ist aber – sowohl bei den Erklärungen der KMT 2012, als auch bei den Erklärungen der DPP 2020 – dass stets auf die Möglichkeit kommender Gespräche mit den USA über ein Freihandelsabkommen hingewiesen wird. Das American Institute in Taiwan führt schon seit vielen Jahren mit der jeweiligen Regierung Gespräche über ein Trade and Investment Framework Agreement (TIFA). Diese fanden allerdings seit 2016 nicht mehr statt, u.a. wegen der von den USA monierten Importsperren von Schweinefleisch mit Ractopamin Rückständen.

Meiner Einschätzung nach liegt darin der Hauptgrund. Interessant ist auch der Aspekt, dass die Nutzung von Ractopamin für inländische Schweinefarmen in Taiwan weiterhin verboten ist.

Und auch in den USA gibt es mittlerweile verschiedene Fleisch exportierende Unternehmen, die auf Ractopamin verzichten. Dies allerdings nicht wegen gesundheitlicher Bedenken, sondern um einen besseren Marktzugang zu den Ländern zu erhalten, in denen Ractopamin im Schweinefleisch verboten ist. Man kann also anmerken, dass die bestehenden Importverbote durchaus eine Wirkung erzielen. Taiwan geht allerdings in die komplett entgegengesetzte Richtung.

Taiwanoca: Sie meinen also, dass die Regierung Taiwans in diesem Punkt Zugeständnisse an die USA macht, um eventuell von einem zukünftigen Freihandelsabkommen zu profitieren?

Prof. Dr. Ha Ri Bo: Es sieht ganz danach aus. Denn ich wiederhole es gerne noch mal: Aus wissenschaftlicher Sicht hat sich an der uneinheitlichen Studienlage zu Ractopamin nichts geändert. Hält man zudem die strengen – und absolut richtigen – Regelungen der Regierung im Hinblick auf die Corona Pandemie als Maßstab dagegen, muss man sich schon fragen, warum im einen Fall mit größter Vorsicht und Wachsamkeit agiert wird und im anderen Fall ein umstrittener, und in früheren Zeiten abgelehnter Grenzwert die Grundlage für diese weitreichende Entscheidung sein soll.

Taiwanoca: Was bedeutet das jetzt für die Verbraucher in Taiwan?

Prof. Dr. Ha Ri Bo: Die Regierung hat seit der Bekanntgabe der Importerlaubnis zahlreiche Maßnahmen angekündigt, um die Verbraucher in Taiwan zu „schützen“. Am wichtigsten ist hierbei sicherlich die Möglichkeit, die Herkunft von Schweinefleisch in Supermärkten und Restaurants zu kennzeichnen. Eine falsche Kennzeichnung soll mit Geldbußen von 40.000 NT bis 4 Mio. NT geahndet werden. Sollte ein höherer als der gesetzlich festgelegte Wert an Ractopamin in Schweinefleisch festgestellt werden, liegen die Geldbußen bei 60.000 NT bis 200 Mio. NT.

Taiwanoca: Ist diese Kennzeichnung verpflichtend? Kann man an der Kennzeichnung feststellen, ob das Fleisch Ractopamin enthält?

Prof. Dr. Ha Ri Bo: Eine Kennzeichnungspflicht ist laut Regierung nicht so einfach umzusetzen, da dies möglicherweise als Handelshemmnis interpretiert und im Rahmen von Regelungen der Welthandelsorganisation (WTO) sanktioniert werden könnte.

Taiwanoca: Werden Sie also zukünftig auf Schweinefleisch verzichten?

Prof. Dr. Ha Ri Bo: Mich persönlich tangiert dieses Problem nicht, da ich mich ausschließlich von Müsliriegeln ernähre (siehe unten). Die Verbraucher indes müssen selbst die Entscheidung treffen ob sie zum einen Ractopamin enthaltendes Fleisch kaufen möchten und zum anderen darauf vertrauen, dass gekennzeichnete Produkte auch wirklich von dort kommen, was die jeweilige Kennzeichnung besagt.

Taiwanoca: Wie meinen Sie das?

Prof. Dr. Ha Ri Bo: In den letzten Jahren wurden in Taiwan gleich mehrere Lebensmittelskandale aufgedeckt. Diese reichten von Weichmachern in verschiedenen Lebensmitteln über Verfälschung und falsche Kennzeichnung von Speiseöl bis hin zur Nutzung des stark krebserregenden Buttergelb zur Färbung von Tofu-Produkten.

Es ist daher absolut nachvollziehbar, dass die Verbraucher in Taiwan ein gesundes Misstrauen an den Tag legen, wenn es um selbst erstellte Kennzeichnungen von Lebensmitteln geht. Den entsprechenden Aufkleber bekommen Sie z.B. für 60 NT auf Shopee oder sogar kostenlos auf der Webseite des Wirtschaftsministeriums zum Selberdrucken.

Taiwanoca: Gibt es denn keine Kontrollen?

Prof. Dr. Ha Ri Bo: Die Regierung hat verstärkte Kontrollen der Kennzeichnung und die oben genannten Bußgelder bei Verstößen angekündigt. Nur, die Kapazitäten für Lebensmittelkontrollen sind begrenzt und inwiefern eine umfassende Kontrolle aller Schweinefleisch enthaltenden Produkte bewerkstelligt werden soll, ist völlig unklar. Wir sprechen hier nicht nur vom großen Kotelett, sondern auch von Instant Nudeln, traditionellen Keksen und weiteren Produkten, die Schweinefleisch enthalten können. Nicht zu vergessen die hunderttausenden Kleinimbisse auf der Straße, die nur sehr schwer zu erfassen sind.

Taiwanoca: Was meinen Sie zu lokalen Märkten, auf denen die heimischen Erzeuger ihre Waren anbieten?

Prof. Dr. Ha Ri Bo: Diese halte ich noch für die sicherste Variante, um garantiert Ractopamin freies Fleisch zu kaufen. Allerdings muss man auch hier abwarten und sehen, wohin sich die Preise entwickeln. Durch die wahrscheinlich höhere Nachfrage nach lokal produziertem Schweinefleisch könnten sich auch die Preise erhöhen. Insgesamt schafft die neue Situation also mehr Probleme als vorher.

Taiwanoca: Gibt es denn gar keine Gegeninitiativen mehr?

Prof. Dr. Ha Ri Bo: Bislang hatten die Lokalregierungen der Städte und Landkreise ein Mitspracherecht, wenn es um lebensmittelrechtliche Fragen ging. In Sachen Ractopamin wurde dieses Mitspracherecht von der Zentralregierung mit Wirkung zum 1. Januar entzogen.

Die KMT hat einen Antrag zu einer möglichen Volksabstimmung eingereicht, welcher die erste Hürde – die Annahme durch die Zentrale Wahlkommission – übersprungen hat. Der nächstmögliche Termin für eine Volksabstimmung wäre der 28. August 2021. Durch die Entkopplung von Volksabstimmungen von nationalen Wahlen durch die DPP ist allerdings nicht klar, ob bei einer zukünftigen Volksabstimmung die notwendige Mindestbeteiligung von 25% aller registrierten Wählerstimmen erreicht werden kann. Bei gleichzeitig zu nationalen Wahlen abgehaltenen Volksabstimmungen war das früher kein Problem.

Insgesamt wird die innenpolitische Diskussion aber leider – wie schon so oft in Taiwan beobachtet – sehr emotional und nur peripher auf Fakten basierend geführt. Das Werfen mit Schweineinnereien bei einer Parlamentssitzung im November 2020 von Seiten der KMT stellte dabei den bislang unrühmlichen Höhepunkt dar.

Und aufgrund der ebenfalls starken Polarisierung der Wähler ist eine neutrale – nicht auf die Präferenz einer bestimmten Partei ausgelegten – Diskussion in der Bevölkerung nur schwer bis teilweise gar nicht möglich. Dies ist ein leider ein generelles Problem.

Für den Moment wird man in Taiwan also mit dieser Entscheidung leben müssen und nur abwarten können, ob und wie sich die neue Situation auf Nachfrage, Preis und Umsatz von Schweine- und Rindfleisch auswirken wird.

Taiwanoca: Wir danken Ihnen für das Gespräch!

Zur Person:

Prof. Dr. Ha Ri Bo (蝦日波) ist staatlich anerkannter Residentologe in Taiwan. Nach seinem Abschluss am Taiwan Institut für Kommunikationsinformationen (TIKI) begann er seine akademische Karriere an der benachbarten Taiwan Akademie für Kommunikationsanalysen (TAKA) und wurde schon bald für seine kurzen und zielgenauen Analysestafetten bekannt. Auch auf dem chinesischen Festland genießt er als ehemaliger Leiter des Konfuzius Institut für Physiologie und Psychologie in Miulun, China (Abkz.: KIPPMICH) hohes Ansehen. Seine exzellenten Deutschkenntnisse erwarb Prof. Dr. Ha Ri Bo übrigens während eines längeren Studienaufenthalts in Bonn. Er ist allein stehend und ernährt sich weitestgehend von Müsliriegeln, eine Angewohnheit, die er von seinem ehemaligen Lehrer, einem Nahrungsmitteltechniker aus Bonn, übernommen hat.

Taiwan und China: Ein Spiegel der Zeit im Fokus

In den letzten Tagen machte in der nationalen und internationalen Presse die Aussage von Chinas Staatspräsident die Runde, eine Vereinigung mit Taiwan notfalls auch mit Gewalt zu erzwingen. Zur besseren Einordnung der aktuellen Situation in der so genannten Taiwan-Frage, befragten wir Prof. Dr. Ha Ri Bo, Co-Autor der in Fachkreisen stark beachteten Abhandlung über Sinophilie.

Taiwanoca: Sehr geehrter Prof. Dr. Ha Ri Bo, die Aussagen des chinesischen Präsidenten haben weltweit die Sorge vor einer militärischen Aktion Chinas gegen Taiwan verstärkt. Wie ernst ist die Lage?

Prof. Dr. Ha Ri Bo: Nun, lassen Sie uns am besten erstmal einordnen, in welchem Zusammenhang die Äußerungen von Xi Jinping eigentlich gefallen sind. Der 1. Januar 2019 markierte den 40. Jahrestag der „Botschaft an die Landsleute in Taiwan“ (siehe Textkasten unten), welche 1979 vom Nationalen Volkskongress verabschiedet wurde. Dies war auch der Zeitpunkt, an dem die USA die Volksrepublik China anstelle Taiwans diplomatisch anerkannten. Gleichzeitig stellte die Volksbefreiungsarmee die Bombardierung Kinmens endgültig ein. In der Taiwan-Frage also ein sehr wichtiges Datum, das zur damaligen Zeit eher eine Phase der Entspannung als eine Phase der Eskalation einläutete.

Text (Englisch) von http://www.china.org.cn/english/7943.htm
Deutsche Übersetzung von Taiwanoca

Botschaft an die Landsleute in Taiwan
(1. Januar 1979)

Der Ständige Ausschuss des Fünften Nationalen Volkskongresses verabschiedete auf seiner Fünften Plenarsitzung am 26. Dezember 1978 nach Diskussion eine Botschaft an die Landsleute in Taiwan. Im Folgenden finden Sie den vollständigen Text der Nachricht.

Liebe Mitbürger in Taiwan:

Heute ist Neujahrstag 1979. Hiermit grüßen wir Sie im Namen der Menschen aller Nationalitäten auf dem Festland unserer Heimat herzlich und aufrichtig.

Wie ein altes Sprichwort sagt: „Wenn die Festtage kommen, denken die Menschen umso mehr an ihre Lieben.“ Bei diesem glücklichen Anlass, an dem wir den Neujahrstag feiern, richten sich unsere Gedanken umso mehr an unsere Verwandten, unsere alten Leute, unsere Brüder und Schwestern in Taiwan. Wir wissen, dass du auch das Mutterland und deine Verwandten auf dem Festland im Sinn hast. Dieses gegenseitige Gefühl des langjährigen Seins wächst mit jedem Tag. Seit dem Tag, an dem Taiwan 1949 leider von der Heimat getrennt wurde, konnten wir nicht mehr miteinander kommunizieren oder besuchen, unser Heimatland konnte die Wiedervereinigung nicht erreichen, Verwandte konnten sich nicht mehr treffen, und unsere Nation, unser Land und unsere Bevölkerung haben darunter stark gelitten. Alle chinesischen Landsleute und Menschen chinesischer Abstammung auf der ganzen Welt freuen sich auf ein baldiges Ende dieser bedauerlichen Situation.

Die chinesische Nation ist eine große Nation. Sie macht fast ein Viertel der Weltbevölkerung aus und hat eine lange Geschichte und eine brillante Kultur, und ihre herausragenden Beiträge zur Weltzivilisation und zum menschlichen Fortschritt sind allgemein anerkannt. Taiwan ist seit der Antike ein unveräußerlicher Teil Chinas. Die chinesische Nation hat eine große Vitalität und Kohäsion. Im Laufe seiner Geschichte haben es fremde Invasionen und innere Unruhen nicht geschafft, unsere Nation dauerhaft zu spalten. Die Trennung Taiwans vom Mutterland ist seit fast 30 Jahren künstlich und widerspricht unseren nationalen Interessen und Bestrebungen, und dieser Zustand darf nicht fortbestehen. Jeder Chinese, ob in Taiwan oder auf dem Festland, hat eine zwingende Verantwortung für das Überleben, das Wachstum und den Wohlstand der chinesischen Nation. Die wichtige Aufgabe der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes, von der die Zukunft der gesamten Nation abhängt, liegt nun vor uns allen; es ist ein Thema, dem sich niemand entziehen kann oder sollte. Wenn wir nicht schnell damit beginnen, diese Uneinigkeit zu beenden, damit unser Mutterland frühzeitig wiedervereinigt wird, wie können wir dann unseren Vorfahren antworten und unseren Nachkommen erklären? Dieses Gefühl wird von allen geteilt. Wer unter den Nachkommen des Gelben Kaisers möchte als Verräter in die Geschichte eingehen?

In den letzten 30 Jahren hat sich der Status Chinas in der Welt radikal verändert. Das internationale Prestige unseres Landes nimmt ständig zu und seine internationale Rolle wird immer wichtiger. Die Menschen und Regierungen fast aller Länder setzen große Hoffnungen auf uns im Kampf gegen den Hegemonismus und bei der Sicherung von Frieden und Stabilität in Asien und der ganzen Welt. Jeder Chinese ist stolz darauf, die wachsende Stärke und den Wohlstand unseres Mutterlandes zu sehen. Wenn wir die gegenwärtige Uneinigkeit beenden und die Kräfte bald bündeln können, wird es kein Ende unserer Beiträge zur Zukunft der Menschheit geben. Die baldige Wiedervereinigung unseres Mutterlandes ist nicht nur der gemeinsame Wunsch aller Menschen in China, einschließlich unserer Landsleute in Taiwan, sondern auch der gemeinsame Wunsch aller friedliebenden Völker und Länder auf der ganzen Welt.

Die Wiedervereinigung Chinas steht heute im Einklang mit der Stimmung der Bevölkerung und dem allgemeinen Entwicklungstrend. Die Welt im Allgemeinen erkennt nur ein einziges China an, wobei die Regierung der Volksrepublik China die einzige legale Regierung ist. Der jüngste Abschluss des China-Japan-Vertrags über Frieden und Freundschaft und die Normalisierung der Beziehungen zwischen China und den Vereinigten Staaten zeigt noch deutlicher, dass niemand diesen Trend stoppen kann. Die gegenwärtige Situation im Mutterland, eine Situation der Stabilität und Einheit, ist besser denn je. Die Menschen aller Nationalitäten auf dem Festland arbeiten mit einem Willen für das große Ziel der vier Modernisierungen. Es ist unsere große Hoffnung, dass Taiwan frühzeitig in die Umarmung des Mutterlandes zurückkehrt, damit wir gemeinsam für die große Sache der nationalen Entwicklung arbeiten können. Unsere Staats- und Regierungschefs haben fest erklärt, dass sie die gegenwärtigen Realitäten bei der Verwirklichung der großen Sache der Wiedervereinigung des Mutterlandes berücksichtigen und den Status quo zu Taiwan und die Meinungen der Menschen in allen Lebensbereichen dort respektieren und angemessene Strategien und Maßnahmen zur Lösung der Frage der Wiedervereinigung ergreifen werden, um dem taiwanesischen Volk keine Verluste zuzufügen. Andererseits haben Menschen in allen Lebensbereichen in Taiwan ihre Sehnsucht nach ihrer Heimat und alten Freunden zum Ausdruck gebracht, ihren Wunsch geäußert, sich mit ihren Verwandten zu identifizieren und wieder zusammenzukommen“, und verschiedene Vorschläge unterbreitet, die Ausdruck ihrer ernsthaften Hoffnung auf eine baldige Rückkehr in die Umarmung des Mutterlandes sind. Da jetzt alle Bedingungen für die Wiedervereinigung günstig sind und alles festgelegt ist, sollte niemand gegen den Willen der Nation und gegen den Trend der Geschichte handeln.

Wir setzen Hoffnungen auf die 17 Millionen Menschen in Taiwan und auch auf die taiwanesischen Behörden. Die taiwanesischen Behörden haben sich stets entschieden für ein China ausgesprochen und sich gegen ein unabhängiges Taiwan ausgesprochen. Wir haben diesen Standpunkt gemeinsam und er ist die Grundlage für unsere Zusammenarbeit. Unsere Position war immer, dass alle Patrioten zu einer Familie gehören. Die Verantwortung für die Wiedervereinigung des Mutterlandes liegt bei jedem von uns. Wir hoffen, dass die taiwanesischen Behörden die nationalen Interessen wahren und wertvolle Beiträge zur Wiedervereinigung des Mutterlandes leisten werden.

Die chinesische Regierung hat die Volksbefreiungsarmee angewiesen, die Bombardierung von Jinmen (Quemoy) und anderen Inseln ab heute einzustellen. Entlang der Taiwan-Straße gibt es noch immer einen Zustand der militärischen Konfrontation zwischen den beiden Seiten. Dies kann nur zu von Menschen verursachten Spannungen führen. Wir sind der Ansicht, dass diese militärische Konfrontation zunächst durch Gespräche zwischen der Regierung der Volksrepublik China und den taiwanesischen Behörden beendet werden sollte, um die notwendigen Voraussetzungen und ein sicheres Umfeld für die Kontaktaufnahme und den Austausch beider Seiten in allen Bereichen zu schaffen.

Die anhaltende Trennung hat zu einem unzureichenden gegenseitigen Verständnis zwischen den Landsleuten auf dem Festland und auf Taiwan und zu verschiedenen Unannehmlichkeiten für beide Seiten geführt. Da ausländische Chinesen, die in fernen fremden Ländern leben, für Besuche und Touren zurückkehren und Wiedervereinigungen mit ihren Familien abhalten können, warum können sich Landsleute, die so nah, auf dem Festland und auf Taiwan leben, nicht frei gegenseitig besuchen? Wir sind der Meinung, dass es keinen Grund dafür gibt, dass solche Hindernisse bestehen bleiben. Wir hoffen, dass zu einem frühen Zeitpunkt Transport- und Postdienste zwischen beiden Seiten eingerichtet werden, um den Landsleuten beider Seiten den direkten Kontakt zu erleichtern, sich gegenseitig zu schreiben, Verwandte und Freunde zu besuchen, Touren und Besuche auszutauschen und akademische, kulturelle, sportliche und technologische Veränderungen durchzuführen.

Wirtschaftlich gesehen waren Taiwan und das Festland des Mutterlandes ursprünglich eine Einheit. Leider sind die Wirtschaftsbeziehungen seit vielen Jahren unterbrochen. Der Bau im Mutterland schreitet energisch voran, und es ist unser Wunsch, dass Taiwan auch wirtschaftlich erfolgreicher wird. Es gibt allen Grund für uns, den Handel zwischen uns zu entwickeln, indem wir das, was dem anderen fehlt, ausgleichen und einen wirtschaftlichen Austausch betreiben. Dies ist gegenseitig erforderlich und wird beiden Parteien zugute kommen, ohne beiden Seiten Schaden zuzufügen.

Liebe Landsleute in Taiwan,

Die strahlende Zukunft unseres großen Vaterlandes gehört uns und dir. Die Wiedervereinigung des Mutterlandes ist die heilige Missionsgeschichte, die unsere Generation erhalten hat. Die Zeiten gehen voran und die Situation entwickelt sich. Je früher wir diese Mission erfüllen, desto eher können wir gemeinsam eine beispiellose, brillante Seite in der Geschichte unseres Landes schreiben, zu den fortgeschrittenen Mächten aufschließen und mit ihnen für Weltfrieden, Wohlstand und Fortschritt zusammenarbeiten. Lasst uns die Hände zusammenlegen und gemeinsam für dieses glorreiche Ziel arbeiten!

Taiwanoca: Wurde das Thema von den Medien also missverstanden und in Wahrheit handelt es sich nur um eine Gedenkrede an die Ereignisse von vor 40 Jahren?

Prof. Dr. Ha Ri Bo: Keineswegs. Die Situation von 1979 hat sich auf beiden Seiten der Taiwan-Straße fundamental geändert. In Taiwan sowohl politisch als auch wirtschaftlich, in China vor allem wirtschaftlich. Man sollte die freundlichen Worte von damals auch nicht nur als treugläubigen Wunsch nach „Wiedervereinigung der Familie“ sehen, sondern als den festen und unveränderlichen Willen, Taiwan an China anzugliedern. Nur wäre dies damals, gerade auch durch den Schutz der USA, mit militärischen Mitteln nicht zu erreichen gewesen.

Ironischerweise haben sich die Beziehungen zwischen Taiwan und China seitdem, mit Ausnahme einer Vereinigung, ganz so entwickelt, wie es in der „Botschaft an die Landsleute in Taiwan“ erhofft wurde. Die Handelsbeziehungen sind sehr umfangreich, Transport- und Postdienste sind selbstverständlich und gegenseitige Besuche sind schon seit langem möglich. Dennoch wird sich China mit nichts anderem als einer formellen Angliederung Taiwan zufrieden geben. Es gehört einfach zum Selbstverständnis des Präsidenten Chinas und Vorsitzenden der Kommunistischen Partei, diesen „Traum“ der Chinesen Wirklichkeit werden zu lassen.

Taiwanoca: Haben die Menschen in Taiwan denn Angst vor einer chinesischen Invasion?

Prof. Dr. Ha Ri Bo: Angst ist denke ich das falsche Wort. Natürlich ist man sich in Taiwan der wachsenden militärischen Bedrohung Chinas bewusst und ob und in welchem Ausmaß die von den USA gemachten Äußerungen zum Schutz Taiwans im Falle eines Falles wirklich umgesetzt werden, ist vor allem jetzt ein sehr großes Fragezeichen. Auf der anderen Seite muss man aber auch erwähnen, dass in Taiwan gerade erst vor wenigen Tagen die letzten Wehrpflichtigen aus der Armee entlassen wurden und die Dauer der Wehrpflicht seit über einem Jahrzehnt sukzessive verringert wurde. Das spricht eigentlich nicht für eine Nation, die einen baldigen Krieg fürchtet. Gleichwohl versucht Taiwan natürlich, insbesondere durch den stetigen Kauf von militärischen Gütern aus den USA, sich gegen einen Angriff rüsten.

Taiwanoca: Wie denken die Menschen in Taiwan über die Beziehungen zu China?

Prof. Dr. Ha Ri Bo:  In einer Umfrage im November 2018 haben sich 83,4% der Befragten für die Beibehaltung des jetzigen Status ausgesprochen, gegenüber 8,6%, die nach einer sofortigen Unabhängigkeit streben und 3,1%, die sofort eine Angliederung an China möchten. Natürlich müssen solche Umfragen immer mit Vorsicht genossen werden, aber sie zeigt doch sehr deutlich, dass sich die meisten Taiwaner über die weitreichenden Konsequenzen einer drastischen Veränderung der aktuellen Situation bewusst sind. Denn auch wenn man durch die Berichterstattung ausländischer Medien diesen Eindruck bekommen könnte: im Alltag Taiwans ist nichts davon zu spüren, dass Taiwan ein isoliertes Land ist. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass Personen, die noch nie etwas von der besonderen Lage Taiwans in der internationalen Politik gehört haben, dies in keinem Bereich des alltäglichen Lebens spüren werden.

Taiwanoca: Ist mit Taiwan also eigentlich alles in bester Ordnung?

Prof. Dr. Ha Ri Bo: Leider nein. Bei anderen Angelegenheiten, sei es bei Sportereignissen im Ausland oder bei der Teilnahme an internationalen Organisationen, sieht es ganz anders aus. Hier macht China seinen ganzen Einfluss geltend, um Taiwan nicht unter seinem richtigen Namen antreten und nicht an Konferenzen teilnehmen zu lassen. Zudem werden ausländische Unternehmen durch die schiere Marktmacht von China unter Druck gesetzt, auf ihren Webseiten Taiwan ja nicht als eigenständiges Gebiet auftauchen zu lassen. Leider hat sich gezeigt, dass all diese Maßnahmen Wirkung zeigen und internationale Organisation und Unternehmen allzu bereitwillig den Druck Chinas nachgeben. Diese im Einzelfall eher kleinen, aber in der Häufigkeit doch sehr großen Demütigungen eines Landes, das den sehr westlich geprägten Wunsch nach einer friedlichen Demokratisierung in bewundernswerter Weise gemeistert hat, ist für viele Taiwaner ein sehr frustrierender Zustand.

Taiwanoca: Glauben Sie, dass es für eine friedliche Lösung nicht schon längst zu spät ist?

Prof. Dr. Ha Ri Bo: Wenn man von den Maximalforderungen beider Seiten ausgeht, dann ist eine Lösung ohne militärische Konfrontation tatsächlich wenig wahrscheinlich. Die Frage ist allerdings, was danach passieren würde. Ein Krieg wäre auf jeden Fall die schlechteste aller möglichen Optionen und zwar für beide Seiten.

Ohnehin ist es wenig verständlich, warum ausgerechnet das Militär das einzige Mittel sein sollte, diesen Konflikt zu beenden. China hat bereits jetzt ein sehr viel schlagkräftigeres Instrument zur Verfügung: seine Wirtschaft. Einer Drosselung der Handelsbilanz seitens Chinas hätte Taiwan, trotz aller Versuche, seine Handelsbeziehungen weiter nach Südostasien zu verlagern, wenig entgegenzusetzen. Im Jahr 2017 gingen 41% der taiwanischen Exporte nach China und Hong Kong und generierten einen Handelsüberschuss von knapp 79 Mrd. US-Dollar. Wenn China durch Schließungen oder Enteignungen taiwanischer Fabriken und Unternehmen auf dem Festland diesem Handelsstrom den Hahn zudrehen würde, hätte das dramatische Folgen auf die taiwanische Wirtschaft und den Wohlstand, in dem die Taiwaner jetzt seit fast zwei Generationen leben.

Es gibt da nur einen Haken. Mit so einer Maßnahme würde sich China wirtschaftlich selbst schaden und ehrlich gesagt wären die Folgen in der heutigen Zeit global vernetzter Lieferketten praktisch unabsehbar. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Taiwan und China könnte also genau der Grund sein, warum eine politische Zusammenarbeit in Zukunft nicht kategorisch ausgeschlossen werden muss.

Taiwanoca: Denken Sie da vielleicht an ein demokratisches China, dass sich an Taiwan angliedert anstatt umgekehrt?

Prof. Dr. Ha Ri Bo: Diese Frage kann niemand seriös beantworten, auch wenn es immer wieder mal versucht wird. Es geht aber auch gar nicht so sehr darum, dass eine Seite ihr politisches System radikal verändern muss, um für die andere Seite akzeptabel zu sein. Es geht darum, einen gemeinsamen Umgang miteinander zu finden, der nicht auf Drohung, Einschüchterung und Erpressung basiert. Es geht darum, einen kühlen Kopf zu bewahren und das Ziel eines friedlichen Miteinanders vor Augen zu haben und nicht auf die grellen und hitzigen Stimmen unserer Zeit zu hören, die stets nur nach radikalen Lösungen verlangen, aber darüber hinaus keinen Plan haben.

Taiwanoca:  Sind Xi Jinping und Tsai Yingwen, die Präsidentin Taiwans, die richtigen Leute dafür?

Prof. Dr. Ha Ri Bo: Sagen wir es mal so. Ich halte beide für schlauer als so manchen derzeitigen Staatschef in westlichen Ländern. Gleichwohl hat Tsai Yingwen als Mitglied und ehemalige Vorsitzende einer Partei, deren Wurzeln in der Unabhängigkeitsbewegung liegen, natürlich eine Position, die ihr weniger Handlungsspielraum als ihr Vorgänger lässt, der für mehr Nähe für China warb. Diese Erwartungshaltung von einigen Anhängern ihrer Partei, nämlich die Verbindungen mit China am besten ganz zu kappen und die taiwanische Unabhängigkeit auszurufen, mit dem in Einklang zu bringen, was für Frieden und Wohlstand in Taiwan vermeintlich am besten ist, könnte ein wichtiger Faktor in den nächsten Präsidentenwahlen Taiwans sein. Und auch Xi Jinping, obwohl fest im Amt installiert, muss seine Führungsstärke und vielleicht auch Härte immer wieder beweisen, wenn auch bislang zum Glück nur rhetorisch. Egal welche Person aber nun das höchste politische Amt auf einer der beiden Seiten inne hat, leicht wird es nie sein, die unterschiedlichen Erwartungen zu erfüllen.

Taiwanoca:  Zum Abschluss, wird es Taiwan in der jetzigen Form in 10 Jahren noch geben?

Prof. Dr. Ha Ri Bo (lacht): Dasselbe wurde ich vor 10 Jahren auch schon gefragt und 10 Jahre davor ebenfalls. Die Antwort sollte also klar sein!

Aber im Ernst. Alle Prognosen über die Zukunft haben eins gemeinsam: sie sind und bleiben Prognosen. Niemand kann seriös beantworten, was in den nächsten Jahren passieren wird. Wenn ich einen Wunsch äußern dürfte, dann wäre dieser, dass wir alle in Zukunft wieder zu mehr Sachlichkeit, mehr Vernunft und mehr Verständnis füreinander kommen könnten. Die Probleme dieser Welt wären damit zwar auch nicht auf einen Schlag gelöst, man könnte aber sicherlich besser über sie nachdenken.

Taiwanoca:  Wir danken Ihnen für das Gespräch!

Zur Person:

Prof. Dr. Ha Ri Bo (蝦日波) ist staatlich anerkannter Residentologe in Taiwan. Nach seinem Abschluss am Taiwan Institut für Kommunikationsinformationen (TIKI) begann er seine akademische Karriere an der benachbarten Taiwan Akademie für Kommunikationsanalysen (TAKA) und wurde schon bald für seine kurzen und zielgenauen Analysestafetten bekannt. Auch auf dem chinesischen Festland genießt er als ehemaliger Leiter des Konfuzius Institut für Physiologie und Psychologie in Miulun, China (Abkz.: KIPPMICH) hohes Ansehen. Seine exzellenten Deutschkenntnisse erwarb Prof. Dr. Ha Ri Bo übrigens während eines längeren Studienaufenthalts in Bonn. Er ist allein stehend und ernährt sich weitestgehend von Müsliriegeln, eine Angewohnheit, die er von seinem ehemaligen Lehrer, einem Nahrungsmitteltechniker aus Bonn, übernommen hat.

Die 5 Phasen der Sinophilie

aus dem Archiv von Prof. Dr. Ha Ri Bo und Dr. Wang E. Rooge

Konfuzius Institut für Physiologie und Psychologie
in Miulun, China (Abkz.: KIPPMICH)

Thema: Beschreibung der einzelnen Phasen der Sinophilie, sowie Einführung der Unterarten Sinophilia germaniae und Sinophilia sinae

Einleitung: Die Sinophilie ist das in den letzten drei Jahrzehnten zunehmend verstärkt auftretendes Phänomen einer allgemeinen Begeisterung für und um den Großraum China. Umfangreiche Beobachtungen dieses Phänomens führten die Autoren zu einer detaillierten Differenzierung einzelner Sinophilie-Phasen, einschließlich möglicher Auswirkungen auf die jeweils direkt Betroffenen und ihre Umgebung. Mit der nachfolgenden Beschreibung wird erstmals eine Klassifizierung von Sinophilie-Betroffenen ermöglicht mit der Absicht, die Vorteile und Nachteile einer sinophilen Lebensweise einem breiten Publikum näher zu bringen.

Phase I: Faszination

Phase I der Sinophilie drückt sich in einem allgemein gesteigerten Interesse an der chinesischen Kultur aus.

Häufig auftretende Symptome sind:

  • Faszination über Bezeichnungen wie „Das Jahr des Drachen“, „Das Jahr des Tigers“ oder chinesische Namen wie „Schöne Perle“ und „Mutiger Krieger“.
  • Besondere Eifrigkeit beim Ansehen von Filmen wie z.B. „Hero“ und „House of Flying Daggers“ und Begeisterung für Jet Li und Tony Leung (vorwiegend bei weiblichen Betroffenen).
  • Einrichtung eines „chinesischen“ Zimmers, indem sich Tapete mit chinesischen Schriftzeichen und reichlich Bambus besorgt wird.
  • Auswendiglernen von chinesischen Lebensweisheiten.
  • Nähere Beschäftigung mit chinesischen Schriftzeichen und allgemein mit der traditionellen chinesischen Kultur.
  • Lesen von Büchern über China, auf Deutsch.
  • Aufsuchen eines Internetforums über China und Lesen aller Diskussionen, die etwas mit dem Leben in China zu tun haben.
  • Leises vor sich Hinkichern, nachdem man seine ersten Wörter auf Chinesisch, also nihao und xiexie, ausgesprochen hat.

Von der Außenwelt wird Phase I Sinophilie häufig als Schwärmerei für China umschrieben.

Tatsächlich kann davon ausgegangen werden, dass ein Teil von Phase I Sinophilie-Betroffenen nicht in die weitergehenden Phasen eintritt und das Chinainteresse daher auf Dauer ohne weitere Folgen bleibt. Durch fehlendes Datenmaterial kann der prozentuale Anteil dieser latenten Phase I Sinophilie-Betroffenen allerdings nicht näher bestimmt werden.

Phase II: Tatendrang

In Phase II haben die Symptome der Phase I dazu geführt, dass der Sinophilie-Betroffene einen gesteigerten Tatendrang hinsichtlich China und chinesischer Kultur verspürt. Häufigstes Symptom in Phase II ist die Absicht die chinesische Sprache in Wort und Schrift zu erlernen. In Internetforen über China wird nicht nur weiterhin passiv mitgelesen, sondern der Sinophilie-Betroffene meldet sich in entsprechenden Foren an und tauscht sich aktiv mit anderen über China aus. Die Erkenntnis, dass auch andere Menschen von Sinophilie betroffen sind, verstärkt den bereits ausgelösten Tatendrang noch weiter. In vielen Fällen wird in dieser Phase der Entschluss gefasst, den Ursprungsort der Sinophilie persönlich zu besuchen und zu erfahren, ja vielleicht dort längerfristig zu arbeiten oder zu studieren.

In der Folgezeit lassen sich zwei verschiedene Betroffenheitsbilder unterscheiden:

Bei der Sinophilia germaniae verbleibt der Betroffene für die allermeiste Zeit in seinem Heimatland und hat nur sporadisch direkten Kontakt zu China. Die Ursachen für diese Situation sind sehr vielfältig und bedürfen im Einzelfall einer gründlichen Untersuchung.

Bei der Sinophilia sinae verbringt der Betroffene die allermeiste Zeit in China und hat somit regelmäßig direkten Kontakt mit der chinesischen Lebensweise.

Sinophilia sinae Betroffene erreichen in der Regel eher Phase IV bzw. V, wohingegen Sinophilia germaniae Betroffene häufiger in Phase III verweilen. Die Gründe für diese unterschiedliche Verlaufsform der beiden Sinophilie-Arten sind derzeit Gegenstand intensiver Feldstudien, zu denen bislang allerdings noch keine signifikanten Ergebnisse vorliegen.

Ab dieser Phase muss die Sinophilie nach gegenwärtigen Erkenntnisstand zudem als nicht umkehrbar eingestuft werden. Spontanremissionen wurden zwar beobachtet, ließen sich bisher allerdings nicht in allen Einzelheiten nachvollziehen.

Phase III: Selektive Wahrnehmung

Phase III der Sinophilie zeichnet sich durch eine zunehmende selektive Wahrnehmung sämtlicher sinokritischer Aspekte aus. Zumeist werden als durchaus kritisch zu bewertende Fakten über den chinesischen Raum negiert, relativiert oder konterkariert. Dieses wird häufig von einem sprunghaften Anstieg von geschichtlichem Wissen begleitet. In schweren Fällen kann es zu einer Germanophobie und Mediaphobie kommen, sowie zu einer Abneigung gegenüber Spiegeln (Speculo aversio) und mangelndem Interesse sich mit dem Fokus gewisser Sachverhalte zu beschäftigen (Focus irreverensis).

Für die unmittelbare Umgebung ist es mitunter nicht immer leicht, Zugang zu einem Sinophilie Phase III Betroffenen zu erhalten. Auf jeden Fall sind viel Verständnis und Geduld nötig. Sowohl der Kommunikationsversuch mit einer vernünftigen als auch einer aggressiven Argumentationsmethode mit dem Betroffenen hat sich in den allermeisten Fällen als kontraproduktiv herausgestellt.

Obwohl statistisch nicht signifikant, scheinen Sinophilia germaniae Betroffene stärker von Phase III erfasst zu sein als Sinophilie sinae Betroffene. Eine stärkere Manifestation kann sich über einen Zeitraum von vielen Jahren zu einer chronischen Verlaufsform entwickeln, für die es bislang nur sehr wenige Ansätze einer Umkehr gibt. Insgesamt muss diese Phase der Sinophilie als die problematischste und schwierigste gesehen werden, da neben der individuellen Einstellung auch das eigene Umfeld direkt und indirekt betroffen ist, was oftmals zu einem großen Konfliktpotential führt.

Phase IV: Ernüchterung

Verstärkt beobachten lässt sich Phase IV bei Personen, die seit ein oder zwei Jahren als Sinophilia sinae Betroffene gelten. Die Realität vor Ort hat diese Personen in den meisten Fällen erreicht und als Reaktion des objektiven Vergleichs zwischen der Situation vor dem Auftritt der Sinophilie und der jetzigen Situation setzt häufig ein Gefühl der Ernüchterung ein. Die Stärke dieses Gefühls hängt signifikant stark von den Lebensbedingungen ab. Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass der Einzelne sich in dieser Phase stärker am individuellen Schicksal orientiert als an dem einer ganzen Nation oder den Menschen einer bestimmten Region.

In Phase IV hinterfragt der Betroffene manchmal seine in Phase III gezeigten Verhaltensweisen, einhergehend mit der Erkenntnis, dass sie weder bei ihm persönlich, noch bei jemand anderem zu einem großflächigen Meinungsumschwung geführt haben. Man erkennt eine gewisse Sinnlosigkeit sich mit auf absehbarer Zeit unlösbaren Fragen zu beschäftigen und besinnt sich lieber auf das, was einem selbst am Besten nützt. Gewisse Rückfälle in alte Verhaltens- und Denkmuster sind aber in dieser Phase weiterhin möglich, vor allem wenn man weiterhin direkten Kontakt zu Phase III Betroffenen hat. Bei günstigem Verlauf nehmen diese Rückfälle aber mit der Zeit immer weiter ab, was schließlich zu Phase V der Sinophilie führt.

Phase V: Realität

Phase V kann als latente Manifestation der positiven Elemente aus Phase IV angesehen werden. Der Betroffene hat nicht nur gelernt sich seiner selektiven Wahrnehmung zu entziehen, er distanziert sich auch gegenüber solchen Verhaltensweisen Anderer. Im Normalfall haben Phase V Sinophilia sinae Betroffene durch jahrelanges Anpassungsverhalten eine gewisse, wenn auch nicht vollständige Immunität gegenüber der nicht zu unterschätzenden Germanophobie und Mediaphobie entwickelt. Durch das Ausschalten dieser negativen Begleiterscheinungen ist es dem Betroffenen möglich ein relativ normales Leben mit seiner Sinophilie zu führen.

In Phase V schließt sich gewissermaßen der Kreis, der mit Phase I begann, zu diesem Zeitpunkt allerdings mit einer weitaus differenzierteren Betrachtungsweise. Die persönliche Langzeiterfahrung vor Ort (> 3 Jahre) ist nach gegenwärtigem Kenntnisstand eine günstige Voraussetzung für das Erreichen dieser Phase, eine generelle Prognose kann daraus aber nicht abgeleitet werden.

Sinophilie Phase V Betroffene zeichnen sich häufig durch eine stabile und langfristige Lebensgrundlage in China aus. Diese umfasst sowohl den persönlichen als auch den beruflichen Bereich, sowie weitreichende Kenntnisse der lokalen Sprache und Kultur durch eigene, teilweise auch negative Erfahrungen.

Abschließend konnte allerdings nicht geklärt werden, ob und inwiefern sich im weiteren Verlauf der Sinophilie weitere Phasen abgrenzen lassen. Zu diesem Thema laufen zurzeit allerdings einige Langzeitstudien, deren Ergebnisse in den nächsten Jahren sicherlich einen näheren Aufschluss über diese Thematik ermöglichen.

Fazit: Die Autoren empfehlen, die gegenwärtige Beschreibung der einzelnen Phasen der Sinophilie als Anschauungsmaterial einem breiten Publikum zugänglich zu machen und sind für weitere Anregungen hinsichtlich dieses Themas jederzeit offen.

Danksagung: Die Autoren bedanken sich hiermit ganz herzlich beim Betreiber des Weblogs fan1yi4.wordpress.com (der rein zufällig auch der Betreiber des Weblogs taiwanoca.wordpress.com ist) für die freundliche Unterstützung beim Zusammenstellen und Veröffentlichen der hier präsentierten Forschungsergebnisse.

© KIPPMICH 2009