Und hier die Nachrichtenvorhersage…

…für Donnerstag, den 7. April und die folgenden Tage:

In Taiwan kommt es derzeit zu einer steigenden Zahl von lokalen Coronafällen. Es ist davon auszugehen, dass deutsche Nachrichtenredaktionen demnächst auf das Thema aufmerksam und darüber berichten werden. Fast sicher dürfte dabei erwähnt werden, dass Taiwan bislang eine Null Covid Politik verfolgte und diese jetzt „gescheitert“ sei. Dabei wird sehr wahrscheinlich auch auf „strenge Maßnahmen“, „Abschottung vom Ausland“ und „strenge Quarantäneregeln“ verwiesen, sowie dass Taiwan „bisher ziemlich gut durch die Coronakrise gekommen ist“. Weitere Details, insbesondere wie gut Taiwan bisher durch die Coronakrise gekommen ist, werden nicht genannt.

Soweit die aktuelle Prognose Stand 6. April 2022 19 Uhr.

tü-tütü-tüt-tütü-tüt


Wer sich übrigens wundert, warum Taiwan in Bezug zu Corona seit geraumer Zeit aus den deutschen Nachrichten verschwunden ist, so gab es einfach nichts Interessantes (also Schlimmes) darüber zu berichten.

Nach der Welle der Delta-Variante (max. 7-Tage Inzidenz: 14,7) war es in der 2. Jahreshälfte 2021 ziemlich ruhig, teilweise wieder bis zu 0 lokalen Infektionsfällen am Tag. Anfang des neuen Jahres bis Mitte Februar gab es ein paar kleinere lokale Ausbrüche (max. 7-Tage Inzidenz: 1,1), die allerdings kurzzeitig wieder auf 0 zurückgeführt werden konnten.

Seit den letzten 3 Wochen stellt sich die Lage allerdings so dar.

Wer sich fragt, woher ich die 7-Tage Inzidenz in Taiwan kenne: die berechne ich selbst, und ja, ich musste bis zur zweiten Nachkommastelle gehen, um den Nullbereich besser darzustellen 😛

Bislang war es in Taiwan noch nie nötig, exorbitant hohe Fallzahlen in psychologisch leichter zu verdauende kleinere Zahlen umzurechnen, aber zur besseren Vergleichbarkeit habe ich mir schon seit langem diesen Spaß erlaubt.

Nun war es in einer ähnlichen Situation im Mai 2021 so: sämtliche Schulen wurden landesweit geschlossen (und bis zu den Sommerferien auch nicht mehr aufgemacht), in Büros wenn möglich auf Home Office ausgewichen, Bars, Kneipen und sonstige „Vergnügungsstätten“ geschlossen, Restaurants nur noch für den Verkauf außer Haus geöffnet. Beim Beschluss dieser Maßnahmen lag die Inzidenzzahl ungefähr bei 4…

Wie man oben sieht, haben wir diesen Wert mit dem heutigen Tag überschritten, aber seitdem hat sich natürlich einiges in Sachen Impfung getan.

Die Bevölkerung Taiwans ist Stand heute:

Einfach geimpft: 83,5%
Zweifach geimpft: 78,5%
Geboostert: 51,0%

Vom Krisenstab (CECC) wurde verlautet, dass die jetzigen Zahlen kein Grund zu einer drastischen Verschärfung von Beschränkungen seien. Die momentanen Coronamaßnahmen in Taiwan sind wie folgt:

  • OP-Maskenpflicht im Freien (mit Ausnahmen für Sportler, Essen, Trinken, Selfies)
  • OP-Maskenpflicht in öffentlichen Innenräumen (natürlich auch in Schule, Kindergarten)
  • Quarantänepflicht für positiv getestete Personen (10 Tage oder Freitesten durch zwei negative PCR Tests oder PCR Wert über 30) in einem Quarantänehotel oder einer staatlichen Quarantäneeinrichtung*

*aufgrund der erwartbaren hohen Fallzahlen wahrscheinlich bald Quarantäne zu Hause

  • für ankommende Reisende in Taiwan sofort PCR Test am Flughafen, auf Ergebnis muss am Flughafen gewartet werden, unabhängig vom Ergebnis 10 Tage Quarantäne

Sollte man also nicht positiv getestet sein, läuft der Alltag in Taiwan alles in allem ziemlich normal. Die Maske merkt man schon gar nicht mehr bzw. erst dann, wenn man sie mal in der Hektik des morgendlichen Kinder zur Schule bringens doch tatsächlich einmal vergisst (…was dem Autor an einem kühlen Morgen im Januar tatsächlich passierte und er sich heute noch dafür schämt)

Trotzdem bleibt natürlich abzuwarten, was genau passieren wird, falls die Fallzahlen in die Tausende oder gar Zehntausende steigen, was mit Omikron nun einfach mal erwartbar ist. Klar, in Deutschland würden die Sektkorken vor Freude über solch „niedrigen“ Fallzahlen knallen (ich erwähnte es schon einmal), aber in Taiwan herrschte bislang ein völlig anderer Maßstab.

Für unsere Reisepläne Richtung Deutschland in diesem Sommer hat die jetzige Situation übrigens keine Auswirkungen, denn sämtliche Pläne für dieses Jahr wurden schon vor längerer Zeit gestrichen. Vielleicht dann nächstes Jahr, aber wer weiß was bis dahin ist.

Nachrichten (und Preise) aus einer anderen Welt

Treibstoffpreise in Taiwan steigen inmitten des Russland-Ukraine Krieges weiter an

Taipeh, 13. März (CNA) Die Treibstoffpreise in Taiwan werden in der kommenden Woche erneut steigen, da der Russland-Ukraine Krieg die Rohölpreise in die Höhe treibt, wobei bleifreies Benzin mit 95 Oktan ein Siebenjahreshoch erreichen wird, so der staatliche Treibstofflieferant des Landes am Sonntag.

Die taiwanische CPC Corp. teilte mit, sie werde die Preise für Benzin und Diesel um 0,3 NT$ (0,01 Euro) pro Liter erhöhen, nachdem sie bereits vor einer Woche die Preise für beide Kraftstoffarten um 0,6 NT$ (0,02 Euro) pro Liter erhöht hatte.

Das bedeutet, dass ab Sonntag Mitternacht die Preise an den CPC Zapfsäulen auf 29,4 NT$ (0,947 Euro) pro Liter für Superdiesel, 31,6 NT$ (1,018 Euro) pro Liter für bleifreies Benzin mit 92 Oktan, 33,1 NT$ (1,066 Euro) pro Liter für bleifreies Benzin mit 95 Oktan und 35,1 NT$ (1,131 Euro) pro Liter für bleifreies Benzin mit 98 Oktan steigen werden, so CPC.

Der Preis für 95 Oktan ist der höchste, der seit sieben Jahren in Taiwan zu verzeichnen ist.

Nach Angaben des Unternehmens ist der Anstieg auf die höheren Rohölpreise zurückzuführen, die durch ein teilweises westliches Einfuhrverbot für russisches Öl und Gas sowie die Ankündigung Saudi-Arabiens, seinen offiziellen Vertragspreis für Rohöl im April zu erhöhen, verursacht wurden.

Die CPC passt ihre Kraftstoffpreise wöchentlich an die Entwicklung der Rohölpreise an und verwendet dabei eine gewichtete Ölpreisformel, die sich zu 70 Prozent aus Rohöl aus Dubai und zu 30 Prozent aus Rohöl der Sorte Brent zusammensetzt.

Nach dieser Formel, so die CPC, hätten die Benzin- und Dieselpreise in dieser Woche um 5,3 NT$ (0,17 Euro) pro Liter bzw. 6,9 NT$ (0,22 Euro) pro Liter steigen müssen.

Aufgrund der Regierungspolitik, nach der Taiwan die niedrigsten Kraftstoffpreise unter den asiatischen Nachbarländern haben soll, und der Tatsache, dass CPC einen größeren Teil des Preisanstiegs subventioniert, je höher der Rohölpreis steigt, sagte das Unternehmen, dass es diese Woche 5 NT$ (0,16 Euro) pro Liter für Benzin und 6,6 NT$ (0,21 Euro) pro Liter für Diesel subventionieren wird.

Aufgrund dieser Politik musste CPC in den ersten beiden Monaten des Jahres 2022 bereits 1,6 Mrd. NT$ (51,6 Mio. Euro) der gestiegenen Rohölpreise subventionieren, anstatt sie an die Verbraucher weiterzugeben, so das Unternehmen.

Inzwischen hat die Formosa Petrochemical Corp. (FPC), ein privater Kraftstofflieferant, ähnliche Preiserhöhungen angekündigt, mit der Ausnahme, dass die Preise für Superdiesel und bleifreies Benzin mit 95 Oktan mit 29,2 NT$ (0,941 Euro) bzw. 33 NT$ (1,063 Euro) pro Liter etwas niedriger liegen werden.

Die FPC erklärte, dass es im Laufe der Woche zwar einige Faktoren gab, die zu einer Dämpfung der Ölpreise beitrugen, diese jedoch nicht in der Lage waren, den steigenden Trend umzukehren.

Zu diesen günstigen Faktoren gehörten die Zusagen der Vereinigten Arabischen Emirate, die Ölproduktion zu erhöhen, und Russlands, Verträge über Energielieferungen zu erfüllen.

Übermut zur Lücke – Wie Taiwan das Coronavirus wieder ins Land ließ

180 lokale Fälle von bestätigten Corona-Infektionen an einem einzigen Tag! Eine Nachricht, in der in Deutschland vor Freude die Sektkorken knallen würden, versetzt Taiwan hingegen in einen besorgniserregten Schockzustand. Zu sehr war man bislang daran gewöhnt, täglich lediglich über die vereinzelten Fälle von infizierten Rückkehrern aus dem Ausland zu lesen. Von denen ging allerdings nie eine konkrete Gefahr aus, denn für normale Rückkehrer aus dem Ausland gilt bereits seit über einem Jahr eine 14-tägige verpflichtende Quarantäne.

Durch eine blitzschnelle Reaktion, zielgenauen Maßnahmen und ein von der gesamten Bevölkerung unterstützten Eindämmungskonzept, schaffte Taiwan es im letzten Jahr 253 Tage am Stück keine lokale Infektion melden zu müssen. Gebrochen wurde diese Serie durch einen Piloten, der nach (zu) kurzer Quarantänezeit von 3 Tagen und anschließender coronainfizierter Shoppingtour zu großer Aufregung kurz vor Silvester führte. Glücklicherweise führte dieser Ausbruch zu keinem sogenannten „Community Outbreak“, also eine unkontrollierte Verbreitung innerhalb der Bevölkerung. Die Quarantänezeit für Piloten und Flugbegleiter wurde daraufhin auf 7 Tage heraufgesetzt.

Im Januar und Februar kam es dann zum Taoyuan Hospital Cluster, einem Ausbruch mit insgesamt 21 Fällen, der durch die Ansteckung eines Arztes zurückzuführen war, der einen an Covid-19 erkrankten Patienten behandelt hatte.

Seitdem war es wieder ruhig, bis es Ende April zu einigen Infektionen von China Airlines Frachtpiloten und einigen ihrer Familenangehörigen kam. Pikanterweise wurde die Quarantänezeit für Piloten und Flugbegleiter nur wenige Tage zuvor wieder auf (zu) kurze 3 Tage gesenkt. Nur um sie nach dem Auftreten dieser Fälle wieder auf 5 Tage zu erhöhen.

Nun gut, konnte man zu diesem Zeitpunkt sagen. Bei den letzten beiden Malen wurden die Ausbrüche sehr schnell wieder eingedämmt. Nur dieses Mal leider nicht. In der Folge kam es nämlich auch zu Infektionsfällen von Mitarbeitern im Novotel, dem Flughafenhotel, in dem die China Airlines Piloten und Flugbegleiter ihre viel zu kurze Quarantäne verbracht haben.

Bitte nicht falsch verstehen. Die Piloten und Flugbegleiter haben im Prinzip nichts falsch gemacht, sondern sich an die für ihre Berufsgruppe geltenden Regelungen gehalten. Falsch war und ist allerdings in meinen Augen die Quarantänezeit von 3, 5 oder 7 Tagen. Viele Beispiele von „normalen“ Rückkehren haben gezeigt, dass eine Coronainfektion erst am Ende der 14-tägigen Quarantäne oder sogar darüber hinaus entdeckt wurde, falls ein Arbeitgeber nochmals zusätzlich nach einem Coronatest verlangte. Zwar könnte man argumentieren, dass solche Fälle nach einer so langen Quarantäne sehr wahrscheinlich nicht mehr infektiös seien, aber ausschließen kann man es eben auch nicht.

Und natürlich darf man nicht vergessen, dass Taiwan als Insel nur über den Luft- oder Seeweg versorgt werden und Handel betreiben kann. Und natürlich kann man Piloten nicht ständig in Quarantäne einsperren und sie nur zum Arbeiten rauslassen.

So etwas ist ein Problem, für das Politiker gewählt werden, um es zu lösen.

Gelöst wurde es aber nur dadurch, dass man sich aufgrund der guten Coronasituation in Taiwan darauf verließ, dass es trotz dieser Lücke – welche sich ja jetzt eindeutig als solche herausgestellt hat – schon irgendwie gut gehen wird.

Und machen wir uns nichts vor. Große Unternehmen wie China Airlines nutzen in Taiwan ihre wirtschaftliche Bedeutung genau so aus, wie es die Lufthansa in Deutschland auch macht. Da wird dann aufgrund der Systemrelevanz schon mal ein Auge zugedrückt und Lockerungen früher gelockert als es eigentlich angebracht wäre.

Das rächt sich jetzt.

Denn irgendwie – leider bislang noch ungeklärt- schaffte es das Coronavirus dann vom Novotel am Flughafen Taoyuan in verschiedene Bereiche des öffentlichen Lebens überzuspringen, z.B. in eine Spielhalle in Yilan, in eine Veranstaltung des Lion Club in Luzhou (New Taipei) und in ein Teehaus „mit besonderen Dienstleistungen der weiblichen Bedienung“ in Wanhua (Taipei City). Von letzteren gibt es allein in Wanhua nach offiziellen Angaben 172. Wer es noch nicht wusste, Wanhua ist der „ehemalige“ Rotlichtbezirk von Taipei, aber da Prostitution in Taiwan in den 90er Jahren verboten wurde, gibt es jetzt offiziell keinen Rotlichtbezirk mehr und Puffs heißen jetzt Teehäuser oder umgangssprachlich 阿公店 (hat mir meine Frau erzählt).

Corona gefällt das.

Aber es gibt noch einen anderen Aspekt, warum die Zahlen lokaler Fälle von 13, 16 und 29 in den letzten Tagen heute auf 180 gestiegen sind. Zum ersten Mal gibt es jetzt nämlich Testzentren für den schnellen Coronatest vor Ort, von denen gerade in Wanhua gestern ausgiebig Gebrauch gemacht wurde. Ohne diese Testzentren wäre die Zahl heute mit Sicherheit geringer und vielleicht wären einige symptomlose Infektionen nie entdeckt wurden. Ist aber alles reine Spekulation.

Wie geht es jetzt also weiter? Für Taipei City und New Taipei wurde die Coronastufe auf Stufe 3 von möglichen 4 angehoben. Das bedeutet, dass Einrichtungen wie Museen, Kinos und alles was mit Freizeit und Vergnügen zu tun hat, geschlossen werden. In der Öffentlichkeit gilt eine generelle Maskenpflicht. In Innenbereichen dürfen sich maximal bis zu 5 Personen aufhalten (bei Familien mit mehr als 5 Mitgliedern natürlich mehr), in Außenbereichen maximal 10 Personen. Von irgendeinem Quatsch mit verschiedenen Hausständen habe ich zum Glück nichts gelesen.

Stufe 4 bedeutet übrigens Lockdown und zwar ein richtiger Lockdown: Büros zu, Schulen zu, keine Reisen in andere Städte. Die dazu notwendige Zahl wurde mit durchschnittlich 100 Fällen pro Tag innerhalb einer Woche angegeben. Klingt ein wenig wie Inzidenz 100 in Deutschland, aber ich hab dann nochmal nachgerechnet:

Die Inzidenzzahl in Deutschland gibt die Anzahl der Fälle innerhalb von 7 Tagen berechnet auf 100.000 Einwohner an. Für Taipei City mit seinen etwas mehr 2,6 Mio. Einwohnern entsprächen durchschnittlich 100 Fälle pro Tag innerhalb von 7 Tagen (also mindestens 700 Fälle) einer Inzidenzzahl von 26,5. Für New Taipei mit seinen etwas mehr als 4 Mio. Einwohnern einer Inzidenzzahl von 17,4.

Bedeutet: Dort, wo Deutschland aus dem Lockern aufgrund der „niedrigen“ Inzidenzzahl gar nicht mehr herauskommen würde, fände in Taiwan ein richtiger Lockdown statt.

Es ist also nicht davon auszugehen, dass es in nächster Zeit zu einer Situation in Taiwan kommt, in der mehr als 10.000 Infektionsfälle pro Tag als „Erfolg“ angesehen werden, mit dem man zufrieden sein kann. Die Zahl von 180 Infektionsfällen ist hier in Taiwan vielleicht der richtige Schockmoment, den es bis zur Verfügbarkeit einer großflächigen Impfkampagne gebraucht hat.

Wie sieht es eigentlich damit aus?

Nun, bislang hat Taiwan 317.000 Dosen AstraZeneca erhalten.

Mehr nicht.

EU first und so.

Insgesamt wurden etwas mehr als 20 Mio. Impfdosen unterschiedlicher Hersteller bestellt, aber ob diese im Laufe des Jahres noch geliefert werden steht in den Sternen. Erschwerend kommt dazu, dass AstraZeneca aufgrund der negativen Presse einen sehr schwer schweren Stand in Taiwan hat und sich aufgrund der bislang hervorragenden Situation darauf verlassen wurde, dass a) entweder anderer Impfstoff geliefert und/oder b) Taiwan mit der Entwicklung seines eigenen Impfstoffs fertig wird. Bislang wurde nur etwas mehr als die Hälfte des gelieferten Impfstoffs verimpft. Vielleicht bringt der jetzige Ausbruch noch einen Schub, denn ein Teil der Impfdosen läuft Ende Mai ab und müsste dann weggeschmissen werden.

Zumindest gibt es die Hoffnung, dass der in Taiwan entwickelte Impfstoff bis Ende Juli einsatzbereit ist. Ich bin mir relativ sicher, dass ein allgemein gut angenommener, in Taiwan produzierter Impfstoff, innerhalb von wenigen Monaten verimpft werden könnte. Das steht allerdings alles noch nicht wirklich fest und im Moment muss Taiwan halt sehen, wie es diesen bislang größten Ausbruch von Coronafällen wieder in den Griff bekommt.

Gute Regeln, Schlechte Regeln

Das alte Jahr neigt sich dem Ende entgegen, aber das neue Jahr steht schon bereit, um pünktlich am 1. Januar zu übernehmen. Wieder mal Glück gehabt! Und damit es im Vergleich zum alten Jahr ein wenig Abwechslung gibt, wird es für den ein oder anderen ein paar neue Regeln geben. Schauen wir uns das mal an:

  • Das Innenministerium wird das Nummerierungsformat der Alien Resident Certificates (ARC) und der Alien Permanent Resident Certificates (APRC) ändern, um sie mit dem taiwanischen Personalausweis in Einklang zu bringen, so dass sie in größerem Umfang verwendet werden können.

Ja, schön und gut, aber macht erstmal. So schlimm wie manche (AmCham) tun, ist es jetzt auch wieder nicht. Ich habe jetzt 16 Jahre dieselbe (Ausländer-) Nummer, komme wunderbar zurecht und wüsste auf Anhieb gar nicht, wo ich die überall ändern müsste. Für mich bedeutet das im Moment: Never change a running system (until you have to!).

  • Das Finanzministerium wird den Grundfreibetrag pro Person, den Steuerzahler bei der Einkommenssteuererklärung von ihrem Einkommen abziehen können, von 175.000 NT$ auf 182.000 NT$ erhöhen.

Yeah! Dann kann ich mir dann nächstes Jahr doch den Audi vom Weihnachtsmarkt kaufen. Wenn ich denn hingehen würde.

  • Der monatliche Mindestlohn für Arbeiter, die unter das Arbeitsschutzgesetz fallen, wird von NT$23.800 auf NT$24.000 und der stündliche Mindestlohn von NT$158 auf NT$160 angehoben. Es wird erwartet, dass etwa 2,08 Millionen Arbeiter von der Erhöhung des monatlichen Mindestlohns profitieren werden.

Fun Fact: Ausländische Pflegekräfte, die das Land pflegetechnisch am Laufen halten, fallen nicht unter das Arbeitsschutzgesetz, bekommen weniger als den Mindestlohn und gehören damit nicht zu den 2,08 Millionen Profiteuren. Sind allerdings auch keine Wähler.

  • Taiwan wird mit dem Import von amerikanischem Rindfleisch von über 30 Monate alten Rindern und Schweinefleisch mit akzeptablen Werten des Tierarzneimittels Ractopamin beginnen.

Den Scheiß können sie behalten! Man muss das mal einfach klipp und klar sagen: Die taiwanische Regierung lässt sich hier von den USA widerstandslos erpressen. Ich hoffe, dass sich das als großes Eigentor für die Regierung erweisen wird und die Verantwortlichen dafür ihren Hut nehmen müssen. Denn zum Wohle des Volkes ist diese Entscheidung mit Sicherheit nicht. Schlimm ist auch, dass der Opposition damit Gelegenheit zu völlig unnötiger, weil peinlicher, Profilierung gegeben wird.

  • Das Kontingent an Gesichtsmasken, die im Rahmen der staatlichen Krankenversicherung verkauft werden, wird von neun auf zehn pro Person und zwei Wochen erhöht, und der Preis wird von NT$5 auf NT$4 pro Stück gesenkt.

Taiwan ist ja auch eine Insel!

  • Die staatlichen Zuschüsse für das Mittagessen an öffentlichen Schulen werden von 3,5 NT$ auf 6 NT$ pro Mahlzeit erhöht, und die Schulen werden verpflichtet, nur noch Zutaten zu verwenden, die als in Taiwan hergestellt zertifiziert sind.

Warum? Sind Zutaten aus anderen Ländern etwa nicht sicher?

  • Ein neuer Rentenfonds für Landwirte wird gegründet, in den die Regierung die Beiträge der Landwirte über einen Zeitraum von maximal 40 Jahren einzahlt, so dass pensionierte Landwirte eine monatliche Rente von bis zu 45.000 NT$ erhalten können.

„Bis zu…“

  • Verleger, die Bücher importieren oder exportieren, sind berechtigt, eine Gewerbesteuerbefreiung zu beantragen.

Finde ich gut.

  • Fahrzeughalter werden mit Bußgeldern belegt, wenn ihre Fahrzeuge gegen Taiwans neue Lärmbelastungsstandards verstoßen. Die Lärmbelastung durch Fahrzeuge wird mit Hilfe von fest installierten und mobilen Hightech „Lärmkameras“ landesweit überwacht.

Das ist schön. In Zukunft werden Fußgänger dann nur noch von leisen Fahrzeugen genötigt, angefahren und überfahren. Es geht voran!

Das sind sie also. Ein paar neue Regelungen für das kommende Jahr. Das Fazit fällt gemischt aus. Wirklich drastische Veränderungen sind nicht dabei. Man könnte das vielleicht einfach so stehen lassen und behaupten, dass es in Taiwan nur noch wenig zu verbessern gibt, aber ich bin halt kein Lügner, Politiker, nicht so jemand.

Und überschattet wird jede Entscheidung natürlich von Ractopamin, welches da bin ich mir sicher, zur Zeit das alles beherrschende Thema in Taiwan wäre, wenn es kein Corona geben würde. Ich muss nochmal schauen, ob ich diesem Schweinkram einen Artikel widmen werde, auf der immer länger werdenden Liste meiner Entwürfe steht er auf jeden Fall.

Taiwan Top 10 Nachrichten 2020

Die Central News Agency (CNA) hat die 10 wichtigsten inländischen Nachrichtenthemen des Jahres 2020 ausgewählt. Der Auswählzeitraum beschränkt sich zwar komischerweise nur bis zum 30. November, aber gehen wir jetzt einfach mal hoffnungsvoll davon aus, dass bis zum Jahresende nichts mehr Top 10 Verdächtiges passiert. Reicht ja auch so für dieses Jahr.

(1) Wenig überraschend wurde 2020 nachrichtentechnisch von COVID-19 beherrscht wie wohl noch nie ein anderes Thema zuvor. Taiwan schaffte es durch eine fantastische Strategie der Pandemiebekämpfung (…und nicht lediglich der Eindämmung und Schadensbegrenzung) die Zahl nachgewiesener Corona-Infektionen zum Stichtag 30. November bei 675 Fällen mit 7 Todesfällen zu halten.

(2) Bei der Präsidentschaftswahl am 11. Januar wurde Amtsinhaberin Tsai Ying-Wen mit 57,1% der Wählerstimmen für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. Zudem verlor die DPP bei der gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahl zwar 7 Sitze im Parlament, stellt mit 61 von 113 Sitzen aber nach wie vor eine Mehrheit.

(3) Han Kuo-yu wurde am 6. Juni als Bürgermeister von Kaohsiung abgewählt, was ihn zum ersten demokratisch aus dem Amt gewählten Politiker Taiwans machte.

(4) Der ehemalige Präsident Lee Teng-hui starb am 30. Juli im Alter von 97 Jahren.

(5) Tsai Ying-Wen kündigte am 28. August an, dass Taiwan den Import von mit Ractopamin behandeltem Schweinefleisch aus den USA zum 1. Januar 2021 zulassen werde.

(6) Generalstabschef Shen Yi-ming und sieben weitere Militäroffiziere kamen beim Absturz eines Hubschraubers am 2. Januar auf einem Flug zu einem Armeestützpunkt in Yilan ums Leben.

(7) Taiwans Verfassungsgericht entschied am 29. Mai, dass die strafrechtliche Verfolgung von Ehebruch verfassungswidrig ist.

(8) Die KMT Abgeordneten Liao Kuo-tung und Chen Chao-ming, der DPP Abgeordnete Su Chen-ching und der unabhängige Abgeordnete Chao Cheng-yu wurden verhaftet und wegen der Annahme von Schmiergeldern angeklagt. Es war das erste Mal, dass amtierende Abgeordnete seit der ersten Parlamentswahl im Jahr 1992 verhaftet wurden.

(9) Die US-Regierung genehmigte den Verkauf von Waffen im Wert von 5,5 Milliarden US-Dollar an Taiwan in fünf Chargen in diesem Jahr, darunter MK48 (Mod 6 AT) Torpedos, AGM-84H/K SLAM-ER Raketen und unbemannte Flugdrohnen des Typs MQ-9B, um Taiwan beim Aufbau seiner Verteidigungskapazitäten zu helfen, um dem steigenden Druck aus China zu begegnen.

(10) Die Börse in Taiwan stellte weiterhin neue Rekorde auf, nachdem sie 12.682 Punkte, das Allzeithoch aus dem Jahr 1990, übertraf und am 27. Juli 12.686,36, am 23. November 13.878 und am 30. November 13.969,39 Punkte erreichte.

253 Tage

Breaking News!

In Taiwan gibt es 1 (EINEN) Fall von Corona, der nachweislich durch eine lokale Infektion verursacht wurde!

Die Börse gab nach dem Bekanntwerden dieser Nachricht schlagartig nach und beendete den Handelstag mit einem Minus von 1,44%

Kein Scherz!

253 Tage sind also seit der letzten offiziellen Meldung einer lokal übertragenen Corona-Infektion in Taiwan vergangen. Wobei man natürlich nie mit letzter Gewissheit wird sagen können, wie viele lokal übertragene Infektionen es in dieser Zeit vielleicht doch gegeben hat, aber nicht entdeckt wurden. Das spielt aber eigentlich gar keine große Rolle, denn Fälle mit schweren COVID-19 Verläufen hat es in Taiwan in diesem Zeitraum einfach nicht gegeben.

Für Deutsche muss sich diese Nachricht natürlich komisch anhören. Während sich in Deutschland statistisch mittlerweile alle 5 Sekunden jemand mit dem Coronavirus infiziert, ist dieser eine Fall hier jetzt das Top Nachrichtenthema. Nicht unerwähnt bleiben sollte jedoch, dass es in Taiwan in den letzten Tagen und Wochen auch immer wieder zu Meldungen von Corona-Infektionen gab, allerdings durchschnittlich im mittleren einstelligen Bereich, d.h. durchschnittlich weniger als 10 Fälle pro Tag. Zudem gingen diese Fälle allesamt auf Menschen zurück, die sich im Ausland infiziert hatten und durch das hervorragende Quarantäne-Management in Taiwan gar nicht erst mit der lokalen Bevölkerung in Kontakt kamen. Das ist jetzt vorbei, also wie kam es dazu?

PatientIn 1 ist eine Taiwanerin in den 30ern, die sich nachweislich bei PatientIn 0, einem neuseeländischen Piloten in den 60ern, in Taiwan infiziert hat. Die Infektion des Piloten wurde noch als importiert klassifiziert, weil letztlich nicht genau geklärt werden kann, wo genau er sich mit dem Coronavirus infiziert hat, wahrscheinlich aber in den USA.

Aber in Taiwan hat man ja Zeit und Möglichkeiten, den ungefähren Ablauf trotzdem sehr übersichtlich darzustellen, von daher:

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https://focustaiwan.tw/society/202012200008

Die Geschichte hat sich vermutlich so abgespielt:

Der neuseeländische Pilot fliegt am 29.11. in die USA und kehrt am 4.12. nach Taiwan zurück.

Für Piloten besteht in Taiwan nur eine 3-tägige Quarantänepflicht (zum Vergleich: für normale Personen 14 Tage), daher also vom 4.12. bis zum 7.12. Quarantäne in Taiwan.

In den darauffolgenden 5 Tagen dann ein fröhliches Herumspazieren und Shoppen gehen in Taipeh und Taoyuan … was an für sich zu diesem Zeitpunkt ja auch nicht verboten war, denn schließlich hatte er die vorgeschriebene Quarantänezeit beendet.

Am 12.12. dann wieder ein Flug in die USA mit Rückkehr am 15.12. Auf diesem Flug waren auch eine taiwanische Pilotin (#760) und ein japanischer Pilot (#766), die ein paar Tage später positiv getestet wurden. Beide berichten davon, dass der Neuseeländer während der Reise verstärkt gehustet hat. Die im Blut des Neuseeländers gefundene Konzentration von Antikörpern lässt zudem den Schluss zu, dass er bereits vor den beiden anderen infiziert wurde, vermutlich wie bereits gesagt beim USA Flug Anfang Dezember.

Tja, mit 14 Tagen Quarantäne wäre das nicht passiert, aber das war wohl ein Entgegenkommen der taiwanischen Regierung gegenüber den Fluggesellschaften, um in diesem Jahr überhaupt noch irgendwie zum Fliegen zu kommen (für Flugbegleiter übrigens 5 Tage Quarantäne).

Aber es geht noch weiter.

Initial auf die Aktivitäten vom 7.12. bis zum 12.12. angesprochen antwortete der neuseeländische Pilot, dass er sich nicht mehr daran erinnern könne, wo er in der Zeit gewesen ist. Auch vergaß er zu erwähnen, dass er mit der besagten Taiwanerin in den 30ern in diesem Zeitraum einen wie auch immer gearteten „close contact“ hatte.

Nun, das taiwanische Gesundheitsamt versteht da gar keinen Spaß und hat eine Geldstrafe von 300.000 NT (nach heutigem Wechselkurs: 8.745 Euro) wegen unzureichender Informationen zur Nachverfolgung von Kontakten verhängt und das völlig zu Recht.

https://focustaiwan.tw/society/202012220023

Man wird jetzt die restlichen Tage des Jahres abwarten und sehen müssen, ob sich aus diesem Fall weitere lokale Infektionen ergeben oder die Hygienemaßnahmen greifen.

SOGO, ein riesen Kaufhaus in Tianmu, Taipeh hat gestern beispielsweise 4,5 Stunden früher als normal geschlossen, um umfassend desinfiziert zu werden. In Taiwan macht man das halt so.

https://focustaiwan.tw/society/202012220016

Und bislang gibt es auch keine Pläne, die Feierlichkeiten zu Silvester einzuschränken, die dieses Jahr zwar mit strengen Hygienemaßnahmen stattfinden müssen, aber ansonsten überall erlaubt sind.

https://focustaiwan.tw/society/202012220025

Und der neuseeländische Pilot wurde von EVA Air wegen Missachtung der Hygieneregeln im Flugzeug und unzureichender Informationen zur Nachverfolgung von Kontakten fristlos entlassen. In Taiwan macht man das halt so.

https://focustaiwan.tw/business/202012230021

Und EVA Air wurde mit einer Geldbuße von 1 Million NT belegt, weil sie ihren (jetzt ehemaligen) Mitarbeiter nicht ordnungsgemäß überwacht hat.

https://focustaiwan.tw/society/202012240020

Und die Regelungen für Piloten und Flugbegleiter wurden verschärft. Ab dem 1. Jan 2021 dann eine 7-tägige Quarantäne mit Coronatest für beide Gruppen und anschließend ein strengeres Self Health Management als bei „normalen“ Personen. Dazu noch ein paar andere Maßnahmen.

https://focustaiwan.tw/society/202012280014

Eine Trillion Mark fünfzig, bitte!

Es tut mir ja auch leid, nach dem letzten Artikel mit Bezug zu Nazis jetzt schon wieder einen Artikel mit einem Bezug zu Nazis zu schreiben, aber es nützt ja nichts….

Da ich als Erklärbär für den Alltag in Taiwan zwecks viel zu geringer Frustrationstoleranzgrenze nicht mehr tauge und ich so gut wie möglich die Finger von der Politik lasse, bleiben mir halt nur die skurilen Themen, ohne die Taiwan nun mal nicht Taiwan wäre.

Primär soll es hier um eine Sammlung von Informationen gehen, weil Facebook in der Hinsicht ehrlich gesagt ein Saftladen ist. Zu beachten ist auch, dass ich in dieser Sache nur ein Beobachter bin und sämtliche Informationen aus den unten verlinkten Quellen beziehe. Das hier ist und soll auf keinen Fall eine offizielle Stellungnahme sein!

Vor eineinhalb Wochen (6.April) tauchte in der wunderbaren Facebook Gruppe „Deutsche in Taiwan“ dieser Beitrag über zwei Taiwaner auf, die vor dem Taipei 101 mit Schildern Reparationen für im 1. Weltkrieg erlittene Leiden von Deutschland verlangen.

Ein Update dann letzte Woche (12. April) und ganz aktuell von heute (17. April) ein weiteres Update, mit dem wir dann auch den Nazibezug hergestellt hätten.

Um was geht es nun eigentlich? Die beiden netten Herren befinden sich, warum auch immer, wohl im Besitz einiger Banknoten der sogenannten Papiermark, die Währung der Inflationsjahre von 1919 bis 1923 in der Weimarer Republik (für den Hintergrund bitte diesen Wikipedia Artikel lesen)

Wir erinnern uns (als wäre es erst gestern gewesen) mit den folgenden Stichpunkten:

– Nachwirkungen des 1. Weltkriegs
– Weimarer Republik
– Hyperinflation

Ich glaube, selbst Nichtexperten kommen hier ziemlich schnell zum Schluss, dass man mit Banknoten mit aufgedruckten Werten in Millionen-, Milliarden- oder gar Billionenhöhe heutzutage weder zur nächsten Landesbank noch der Bundesbank gehen und sich diesen Nennbetrag dann in aktueller Währung zum Kurs von 1:1 auszahlen lassen kann. Wer es dennoch versuchen möchte, dem sie dieser Hinweis der Deutschen Bundesbank ans Herz gelegt:

Folgende Banknoten und Münzen werden nicht mehr zum Umtausch angenommen:

Banknoten und Münzen, die vor dem 20. Juni 1948 emittiert wurden.

1923 < 1948

Case closed?

Nun, im Bereich der Logik sicherlich ja, aber in Sachen Logik gelten in Taiwan ab und zu ganz eigene Gesetze…

Die netten Herren sind nämlich der Meinung, dass es sich bei den Banknoten um alte Kriegsanleihen handelt, die Taiwaner im damals von Japan besetzten Taiwan zwangsweise erwerben mussten. Daher die Forderung nach Reparationen aus dem 1. Weltkrieg.

Und klar, wenn man die folgende Passage aus dem oben verlinkten Wikipedia Artikel absichtlich falsch interpretiert (oder mit Google übersetzt), dann könnte man vielleicht … immer den eigenen Gesetzen taiwanischer Logik folgend … den Anspruch in gewisser Weise sogar nachvollziehen:

Da das Reich die Kosten der Kriegführung nur zu einem geringeren Teil durch Steuererhöhungen und Kriegsanleihen, zu einem erheblichen Teil aber durch die Ausgabe von Papiergeld finanzierte, kam es bereits während der Kriegsjahre zu einer erheblichen Inflation.

Was aber … wieder im Bereich der normalen Logik … natürlich Quatsch ist, weil die Nennwerte schon seit 1914 durch nichts mehr gedeckt waren und es überhaupt, niemals nie, einen entsprechenden Gegenwert gegeben hat. Also doch, halt bestenfalls ein Appel und ein Ei für 3 Milliarden Mark….

Nun bin ich kein Experte, weder in Geschichte, noch in Rechtswissenschaften (noch sonstwo). Kein Problem, denn in Taiwan kann man auch Rechtsberatungen von deutschen Anwälten bekommen, was im Falle der beiden netten Herren wohl auch in Anspruch genommen wurde. Zwar könnte man ab und zu vermuten, dass die juristische Logik und die taiwanische Logik in manchen Punkten kompatibel zueinander sind, aber in diesem Fall ist dies aus den oben und/oder noch weiteren Gründen zum Glück nicht der Fall.

Daher also jetzt die Masche, vor dem Taipei 101 (in dem auch das Deutsche Institut residiert) mit Plakaten und neuerdings also auch mit Hakenkreuzfahnen herumzulaufen, um Aufmerksamkeit zu erregen.

Ach ja, ergänzend dazu muss noch erwähnt werden, dass die beiden Herren schon seit längerem auch schriftlich mit dem Deutschen Institut in Kontakt stehen, es also schon Versuche gegeben hat, den beiden Herren die Lage … nach normaler Logik … zu erklären, was allerdings wie wir sehen nichts genützt hat.

Was also tun? Das Zeigen von Nazisymbolen ist in Taiwan nicht strafbar. Das Demonstrieren vor dem Taipei 101 auch nicht, obwohl ich mir da gar nicht so sicher bin.

Ich fände es bislang sowieso unpassend, den beiden netten Herren irgendwas strafrechtliches zu wollen. Fußgänger an Kreuzungen schützende Polizisten sind in Taipei viel wichtiger!

Ich finde es allerdings auch schade, dass ich innerhalb von nur 4 Monaten schon wieder irgendwelche Hakenkreuzflaggen in Taiwan rumflattern sehen muss. Und ja, ich bin in der Lage, eine Swastika an einem buddhistischen Tempel von einem Hakenkreuz zu unterscheiden. Noch wichtiger in diesem Zusammenhang ist der folgende Satz:

Weil das Hakenkreuz Ideologie, Gewaltherrschaft und Verbrechen des Nationalsozialismus repräsentiert, wurde die politische Verwendung hakenkreuzförmiger Symbole seit 1945 in Deutschland, Österreich und weiteren Staaten verboten.

In Taiwan nicht.

Was jetzt auch nicht der Skandal ist, aber gerade Taiwan, dessen Gesellschaft noch im Nachklang der Ideologie, Gewaltherrschaft und Verbrechen des Weißen Terrors lebt, gerade dieses Taiwan sollte sich bewusst sein, dass eine absichtlich verzerrte … und jedweder Logik entbehrende … Darstellung der Geschichte mehr Schaden als Nutzen bringt.

Jetzt nicht Schaden für uns als Deutsche. Ich denke wir sind in der Lage, diesen Fall als das einzuordnen, was er (bislang) ist: eine Posse, eine billige Masche an Geld zu kommen.

Eher sehe ich den Schaden für Taiwan.

Ich finde es vollkommen unverständlich, dass eine Gesellschaft, die in Bezug auf ihr dunkelstes und schmerzhaftestes Kapitel ihrer Geschichte die Aufarbeitung gegenwärtig stark fordert und vorantreibt (Stichwort Transitional Justice) und in umgekehrter Richtung zu sehen, dass unser dunkelstes und schmerzhaftestes Kapitel, das nicht nur national, sondern auch international weitgehend aufgearbeitet und entsprechende Folgen umgesetzt werden (Hakenkreuzverbot, allgemeine Ächtung von Nazi-Verherrlichung), in Taiwan der Gegenstand von Unwissenheit, Geschäftemacherei und jetzt auch noch Ausnutzung ist.

Klingt zu hart? Finde ich nicht. Ein gutes Allgemeinwissen sollte in einer fortschrittlichen Industrienation keine all zu harte Herausforderung sein (der Satz kommt mittlerweile glaube in jedem Artikel vor). In Taiwan zu leben und zur Schule zu gehen, bedeutet nicht, nichts über die Nazizeit wissen zu können. Den Anspruch muss Taiwan einfach an sein eigenes Schulsystem stellen.

Und Deutschland?

Ausnahmen bestätigen dort (noch) die Regel. Die so genannte Reichsbürgerbewegung in Deutschland mit manchen Leuten, die ihre eigenen Königreiche ausrufen, ist vielleicht das Äquivalent zu diesen beiden Herren. Nicht der offen rechtsextreme Teil, sondern der bekloppte, obwohl sich beides natürlich gegenseitig nicht ausschließt. Der Unterschied zu Taiwan ist, dass über solche Spinner kritisch berichtet wird und auch für Außenstehende doch ziemlich klar ersichtlich sein sollte, dass die große Mehrheit solche Typen für vollkommen bescheuert hält.

Oder, gerade bei der Recherche gefunden, als der klassische Querulant:

Personen, die bei Behörden oder vor Gericht zum wiederholten Male unbegründete Anträge stellen, werden als Querulanten bezeichnet. Später wurde der Begriff von der Psychiatrie aufgegriffen und entweder als eigenes, wahnhaftes, oft paranoides Krankheitsbild, als Persönlichkeitsstörung oder als begleitendes Symptom anderer psychischer Störungen beschrieben.

Zurück zu Taiwan. Wie sich Taiwan um vermeintlich oder offensichtlich psychisch gestörte Menschen kümmert (nämlich wenig bis gar nicht), haben wir in den letzten Jahren zu oft als schockierende Ereignisse in den Nachrichten sehen müssen.

So weit wird es hier hoffentlich nicht kommen und man muss jetzt auch nicht gleich den Teufel an die Wand malen. Es soll nur zeigen, dass es hier nicht nur die witzige Komponente zweier Spinner gibt, die nicht gerade unkreativ, aber mittlerweile etwas über die Stränge schlagend, versuchen an Geld zu kommen, sondern dass es in Taiwan auch Leute gibt, denen ich trotz der relativen hohen Sicherheit nachts nicht im Park begegnen möchte, Und tagsüber auch nicht….

Desweiteren sehe ich Taiwan als Gesellschaft hier in der Pflicht, solchen Vögeln klar zu machen, dass sie nicht nur sich, sondern zu einem Teil auch Taiwan als Ganzes der Lächerlichkeit preisgeben.

Der beste Umgang mit solchen Sachen ist der Hinweis, wie sehr man sich Außenstehenden gegenüber mit solchen Sachen blamiert (meinetwegen auch das Gesicht verliert, diese absolut abgenudelte Floskel).

Eine Fortsetzung folgt mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit und ich bin mal gespannt, wie weit unsere beiden netten Herren noch gehen wollen.

Die bösen Geister von Guangfu

Nazis. Wenn man sich ein Thema vorstellt, mit dem man das politisch und gesellschaftlich sehr bescheidene Jahr 2016 beenden könnte, dann ist es wohl das Thema Nazis.

Schlimmer noch: Nazis an Heiligabend.

In Taiwan ist in den letzten Tagen ein Vorfall an der privaten Guangfu High School in Hsinchu durch die Medien gegangen, der zu einer sehr kontroversen Diskussion in sozialen Netzwerken, offiziellen Stellungnahmen des Deutschen Instituts und des Wirtschafts- und Kulturbüros Israels, mehreren taiwanischen Ministerien und dem Rücktritt des Schulleiters führte.

Durch Anklicken der obigen Links sollte sich jeder ein eigenes Bild von der Geschichte machen können.

Wie kann so etwas eigentlich passieren? Fragen sich mit Sicherheit viele und im ersten Moment herrschte auch in mir eine Mischung aus Fassungslosigkeit, Wut und dieses Gefühl, was in Internetforen immer so gerne als Kopf –> Tisch beschrieben wird.

Kann man wirklich auf einem Schulfest eine Naziparade nachstellen und dabei sämtliche Anzeichen einer möglichen Distanzierung ignorieren?

Man kann. Allerdings nicht aus Böswilligkeit, auch nicht durch Blödheit, sondern einfach durch Unwissenheit.

Den an dieser Parade teilnehmenden Schülern kann und sollte man keinen großen Vorwurf machen. Worauf man an dieser Stelle allerdings hinweisen sollte, ist meine eigene Erfahrung, dass die Nazizeit für einige Jugendliche in Taiwan eine gewisse Faszination ausübt. Auf Facebook gibt es mehrere taiwanische Gruppen, die sich mit dem Deutschen Reich befassen und deren Beiträge mitunter als sehr grenzwertig anzusehen sind. Zudem sind Nazisymbole in Taiwan frei und problemlos erhältlich, bis hin zu kompletten Kostümsammlungen, wie am Beispiel der Schule und auch hier zu sehen.

Leider, muss man sagen, ist Taiwan je nach regierender Partei wohl viel zu sehr mit seiner eigenen Geschichte beschäftigt als das Zeit für die Auseinandersetzung mit der Geschichte anderer Länder bestünde.

Was sich zum Glück ja jetzt ändern könnte. Und was auch sein muss. Dennoch bleibt bei mir das ungute Gefühl, das wohl immer erst das mit Abstand größte Fettnäpfchen getroffen werden muss, bevor überhaupt der Ansatz eines Umdenkens entsteht. Hätte unser eins dem taiwanischen Bildungsministeriums eine bessere oder überhaupt eine Befassung mit der Nazizeit im Schulunterricht vor dieser Geschichte empfohlen, wäre dieser Vorschlag mit Sicherheit ganz freundlich weggelächelt worden. Zumal er von einem Ausländer gekommen wäre…

Es ist nämlich beileibe nicht so, dass alle Taiwaner die Empörung über dieses Ereignis teilen. Der Facebook Beitrag des Deutschen Instituts gibt für den Chinesischkundigen ein interessantes Spiegelbild der taiwanischen Meinung wider.

Viele Taiwaner bedauern diesen Vorfall, einige entschuldigen sich sogar im Namen Taiwans, obwohl ich dafür keinen Anlass sehe … andere wiederum weisen auf das schlechte Schulsystem hin, an dem natürlich nur die ________ (verhasste Partei bitte einsetzen) Schuld ist, andere auf die Verbindung zwischen Nazideutschland und der Republik China (sehr lesenswerter Wikipedia-Artikel!) und einige sind der Meinung, dass solange Deutschland und Israel die Ein-China Politik verfolgen und die Republik China (Taiwan) nicht als eigenen Staat anerkennen, sie überhaupt kein Recht hätten auch nur irgendwas an Taiwan zu kritisieren.

Das Verhältnis der unterschiedlichen Reaktionen liegt meines Erachtens genauso, wie ich es auch sonst in Taiwan erlebe: 30-40-30, d.h.

30%, welche sich mit den Belangen anderer Länder befassen und die Geschehnisse dementsprechend einordnen können

40%, welche die Belange anderer Länder zwar erkennen, aber bei der erstbesten Gelegenheit wieder zur Innenpolitik Taiwans wechseln

30%, welche sich von der Mehrheit der Staaten der internationalen Gemeinschaft im Stich gelassen fühlen und sich daher für deren Belange nicht interessieren oder nur negativ darstellen möchten

Interessant daher dieser Artikel der Taipei Times und die Aussagen des Vorsitzenden der (chinafreundlichen) New Party Yok Mu-ming:

Separately yesterday, New Party Chairman Yok Mu-ming (郁慕明) issued a statement urging the Presidential Office to apologize to the students for throwing them under the bus over the cosplay event simply because of opposition from Westerners.

“It was just a student event that school authorities did not have a hand in creating the content for, as it was aimed at facilitating creativity … not advocating Nazi ideology,” Yok said, adding that the public had blown the issue out of proportion.

Yok said the real “modern Nazis” are the DPP government, which has beautified the Japanese colonial era, as well as members of the 2014 Sunflower movement who cut classes, staged demonstrations and illegally occupied government buildings.

Wer meint, dass Ausländerfeindlichkeit, Verharmlosung der Geschichte und stumpfer Populismus eine deutsche  oder amerikanische Spezialität des Jahres 2016 sei, der kennt sich wahrscheinlich noch nicht genug mit taiwanischer Innenpolitik aus. Anderes als in Deutschland und in den USA, sind die Taiwaner aber schlau genug, solchen Vögeln kein politisches Mandat zu erteilen.

Was bleibt also?

Zum einen die Hoffnung, dass die Schüler, Lehrer und Schulbehörden etwas aus dieser Sache lernen, obwohl ich mich jetzt nicht der Illusion hingeben würde, dass sich etwas Grundlegendes am taiwanischen Schulsystem ändern wird.

Zum anderen die nach wie vor für mich sehr traurige Erkenntnis, dass ich mich mit den meisten Taiwanern weiterhin nicht neutral über welthistorische und weltpolitische Themen unterhalten kann.

Zum Schluss noch ein weiterer Gedanke:

Man ist bei so einer Sache ja immer schnell dabei, den Schulen Unfähigkeit zu unterstellen. Und natürlich trifft hier ein gewisser Grad der Unfähigkeit auch zu, denn der verantwortliche Lehrer hätten sich um die Symbolik nicht nur sorgen müssen. Laut Aussage des Lehrers hatte er die Klasse bei der Abstimmung über dieses Thema schon darauf aufmerksam gemacht, dass es falsch aufgefasst werden könnte, die Klasse aber trotzdem weiterhin gewähren lassen.

Andererseits habe ich mir mal überlegt, inwiefern ich etwas über die Geschichte Asiens während meiner Gymnasialzeit in den neunziger Jahren gelernt habe und komme dabei auf das Ergebnis: 0

Sollte es bei dir anders gewesen sein, dann poste doch bitte einen Kommentar, denn ich zweifle etwas daran, dass im deutschen Geschichtsunterricht derselbe Stand zu Asien herrscht, den sich einige jetzt für den taiwanischen Geschichtsunterricht zu Europa wünschen.

Zwischen den Zeilen…

Innenministerium: Keine Nationalflagge auf Sarg des verstorbenen Fischers

Das Innenministerium sieht keine Möglichkeit, den Sarg des am Freitag verstorbenen Fischers mit der Nationalflagge zu bedecken.

Die dazu speziell bei der False Flag Folding Force im amerikanischen Flagstaff ausgebildeten Soldaten leiden nach der anstrengenden dreijährigen Ausbildungszeit alle an chronischer Sehnenscheidenentzündung und können sich nachts noch nicht einmal mehr zudecken.

Der Fischer war in seinem Boot wegen einer fälschlicherweise abgeschossenen Rakete der taiwanischen Marine getötet worden.   Die Familie des Fischers hatte darum gebeten, den Sarg des Verstorbenen Huang Wen-chung mit der Nationalflagge zu bedecken.

Abgesehen davon, dass ich mir als Angehöriger wohl als Letztes wünschen würde, den Sarg meines vom Militär getöteten Vaters/Onkels/Bruders mit dem Symbol militärischer Beisetzungen zu versehen, so spielt meine persönliche Meinung in dem Fall keine Rolle und im Kontext, dass der Mann vom Militär getötet wurde, könnte man die Bedeckung des Sarges mit der Nationalflagge auch als Zeichen des Versuchs einer Bitte um Vergebung interpretieren. Aber…

Das Verteidigungsministerium, dass in diesem Fall zuständig ist, hatte die Familie von der Idee abbringen können.

So weit kann das Verteidigungsministerium wahrscheinlich nicht denken.

Der Abteilungsleiter für zivile Fragen im Innenministerium, Luo Rui-ching, sagte heute, dass die Richtlinien für die Verwendung der Nationalflagge auch nicht klar erfüllt seien:   „In dieser Sache ist unser Verständnis dahingehend, dass das Verteidigungsministerium uns noch nicht berichtet hat. Es ist ja so, dass die Voraussetzungen für die Verwendung der Nationalflagge auf dem Sarg nicht klar erfüllt sind. Das wäre zum Beispiel der Tod eines Soldaten auf seinem Posten, oder wenn sich der Verstorbene für das Wohl der Gesellschaft geopfert hätte. Daher denken wir, wird das Verteidigungsministerium das anders lösen.“

Es ist ja so, dass nicht jeder einfache Fischer, der mit seinem Kutter irgendwo in der Taiwanstraße kreuzt und von einer in Richtung China unter Missachtung sämtlicher Vorsichtsmaßnahmen versehentlich abgeschossenen Rakete zerfetzt wird, ein Anrecht auf die Nationalflagge auf seinem Sarg hätte. Da könnte ja echt jeder kommen!

Wäre jetzt zum Beispiel der Soldat zum Zeitpunkt des Raketenabschusses auf seinem Posten zu Tode erschreckt worden, weil solche Raketen echt laut sind, dann hätte dieser natürlich die notwendigen Voraussetzungen für die Nationalflagge auf seinem Sarg erfüllt.

Das Verteidigungsministerium wird das sicherlich anders lösen, denn die Vorschriften müssen nun einmal strikt eingehalten werden (immer Freitags 10-12 Uhr oder wenn PräsidentIn kommt!).

So kalt, so tot

Zugegeben, sich über den Tod von Menschen in einem leicht ironisch-satirisch-zynischen Blog auszulassen mag nicht jedermanns Geschmack treffen. Den Tod von Menschen zu nach Sensation heischenden Nachrichten zu verwursten auch nicht. Und deshelb steht hier dieser Artikel zum Erhalt für die Nachwelt und Beispiel einer ziemlich abgewrackten Medienkultur, wobei das Wort „abgewrackt“ hier eigentlich nicht zutrifft, denn abgewrackt kann ja nur etwas sein, was vorher in einem weitaus besserem Zustand war….

Ausgangspunkt dieser Geschichte ist dieser Artikel von Radio Taiwan International. Was war da aber genau los? Nun, ich kann den Fall nur aus der Sicht von Focus Taiwan wiedergeben (ist schon stressig genug), dafür aber umso detaillierter.

Es war letzte Woche ja so ein bisschen frisch in Taiwan. Temperaturen nur noch ein paar Grad über dem Gefrierpunkt, Schnee in den Bergen und immerhin noch so etwas wie Schneeregen bis fast ins Flachland (Hsinchu und Miaoli). Und richtig, in mittlerweile 13 Wintern in Taiwan habe ich solch tiefe Temperaturen auch noch nicht erlebt. So richtig scheinen die Meldungen darüber aber nicht gefetzt zu haben und somit setzte sich dann über den Verlauf der Kältewelle die folgende Geschichte in Gang:

Am Morgen des 22. Januar, das war der Freitag, an dem eigentlich noch gar nicht richtig kalt war … halt nur kühl und regnerisch in Taipeh wie das im Januar nun absolut nicht ungewöhnlich ist und ich froh bin, nicht mehr dort zu wohnen … schrieb Focus Taiwan etwas von 10 Todesopfern in nur einer Nacht aufgrund der sich nähernden Kältewelle.

Lives lost in Taipei area as cold wave approaches

Für einen Moment dachte ich so „wow, unheimlich…es wird ja morgen noch viel kälter“, aber dann zog mich glücklicherweise mein Verstand wieder schnell in die richtige Richtung und fing an zu überlegen: 10 Tote durch Herzstillstand in New Taipei City innerhalb von 8 Stunden, hochgerechnet also 30 Tote am Tag oder knapp 10.950 Tote im Jahr in einem Gebiet mit 4 Millionen Einwohnern klingt irgendwie völlig normal. Pro 1.000 Einwohner wären das 2,74 im Jahr. Die Zahl mal kurz merken.

Laut http://www.laenderdaten.de/bevoelkerung/sterberate.aspx beträgt die Sterberate in Taiwan 6,97 pro 1.000 Einwohner im Jahr und an Herzstillstand werden wir zwangsläufig alle sterben, von daher ist das ein Indikator für gar nichts.

Bis zum Sonntag waren dann die Meldungen über die zu erwartenden Tiefsttemperaturen und den Schneefällen in den Bergen anscheinend ausreichend genug, aber dann hat sich wohl jemand in der zugigen Kälte des Newsdesks, der vielleicht nicht mit in die Berge zum Schnee gucken durfte, wieder an den Blödsinn erinnert und diese Meldung rausgehauen:

15 dead in New Taipei, Taoyuan as snow dusts Taiwan

Und ein Update:

36 dead in northern Taiwan as snow fever hits (update)

Und noch ein Update:

Over 50 dead around Taiwan, victims of cold spell (update)

Und noch ein Update:

Over 85 dead around Taiwan, victims of cold spell (update)

Am Tag danach schienen die landwirtschaftlichen Schäden und die bescheidenden Straßenverhältnisse in den Bergen wieder interessanter zu sein, bis am Dienstagabend, die Temperaturen waren mittlerweile wieder auf weiterhin kühle, aber für den Winter normale Werte geklettert, so etwas wie eine Gegendarstellung auftauchte:

Only 3 died from low temperatures over weekend: Health Ministry

Demnach wurden in ganz Taiwan 45 Personen wegen Unterkühlung per Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht, von denen 3 Personen starben. Ob die Unterkühlung letztlich auch die Todesursache war, ist der Meldung nicht zu entnehmen.

Dumm gelaufen. Focus Taiwan versucht sich noch ein wenig damit herauszureden, dass sie ja nur die Einschätzung der Feuerwehren wiedergegeben haben. Ich geh jetzt mal davon aus, dass die Feuerwehren die 119 Notrufe annehmen und je nach Lage den RTW losschicken, aber wir sollten hier vielleicht auch nicht zu viel drüber nachdenken. Könnte in tiefe Abgründe führen.

Was hier nachdenklich machen sollte, ist die absolute Unprofessionalität der Journalisten, Redakteure, Schreiber. Es gibt nun mal leider keine andere englischsprachige Quelle für Agenturähnliche Nachrichten aus Taiwan, auf die man sich berufen kann. Das meiste Einiges, was man bei Taipei Times, China Times, Radio Taiwan International usw. lesen kann, bei manchen weniger, bei manchen mehr, stammt ursprünglich von Focus Taiwan bzw. der Central News Agency. In der Hinsicht kann ich den Kabinettssprecher verstehen, wenn er sagt, dass durch diese Falschinformationen ein schlechtes Licht auf Taiwans Gesundheitssystem und die Versorgung Benachteiligter geworfen werde.

Wer Taiwan auch nur ein klein wenig kennt, dem müsste eigentlich beim Gedanken, der Regierung Recht geben zu müssen, fast schon das Blut in den Adern gefrieren (um beim Thema zu bleiben). Zum Glück trifft hier weder das, noch der kältebedingte Tod dutzender Menschen zu. Eigentlich eine gute Nachricht, nur halt nicht sensationell….